Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, rief am Montag in London zum "Gebet für unser Land in dieser kritischen Zeit" auf. Am bislang geplanten Wochenende für den Austritt Großbritanniens aus der EU ab dem 29. März wollen sich die anglikanischen Gemeinden in Großbritannien öffnen für Brexit-Gesprächsrunden mit Tee und Gebet. Für die einen sei der Brexit Grund zum Feiern, für die anderen Anlass zur großer Trauer, hieß es weiter. Von jetzt an dürfe sich aber niemand mehr darüber definieren, wie er in dem Referendum über den Verbleib in der EU gestimmt habe.
Jetzt müsse mit der schwierigen Arbeit des gegenseitigen Zuhörens begonnen werden, heißt es in der Handreichung. Die Kirche wolle dafür geeignete Räume schaffen. Man müsse jetzt nach vorne schauen, nicht in die Vergangenheit. Jeder müsse mit Respekt behandelt werden, unabhängig von seiner Meinung zum Brexit. Die Handreichung formuliert auch mögliche Einstiegsfragen für Gespräche: "Welche Auswirkungen hat der Brexit in deiner Familie oder deinem Freundeskreis?" oder: "Was können wir dazu beitragen für eine sozial gerechtere Gesellschaft, auch mit Blick auf eine bessere Zukunft für die nächste Generation?"
In einem Jahrhundert werde die Kirche zur Rechenschaft gezogen werden, "wie sie sich an diesem Schlüsselmoment im Leben unserer Nation und unseres Landes verhalten hat", sagte Welby, der vor dem Referendum den Verbleib in der EU unterstützt hatte: "Werden wir die sein, die Spannungen und Feindschaft entschärft haben? Werden wir die sein, die in der Debatte zu Anstand und Respekt aufgerufen haben? Werden wir die sein, die nicht aufgehört haben zu beten für unser Land, für unsere Gemeinschaft und unsere politischen Führer?" Welby ist das geistliche Oberhaupt der Kirche von England und Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltkirche mit rund 85 Millionen Christinnen und Christen.