Hinter der einen stapeln sich Akten, die andere macht ihre Kamera erst an, nachdem sie dazu aufgefordert wird. Eine dritte Teilnehmerin hat sich mit Blumenstrauß und selbst gemaltem Bild in Szene gesetzt. Die letzte wählt sich verspätet ein und will eigentlich noch ihren Joghurt löffeln. Schließlich lässt sie es doch bleiben - müssen ja nicht alle beim Essen zuschauen.
Nicht selten würden manche bei Online-Meetings vergessen, dass sie eben nicht ungestört vor dem Fernseher sitzen, erklärt Workshop-Leiterin Katja Lechthaler den Teilnehmern, die sich an diesem Abend per Online-Konferenz-Tool "Zoom" zu einem Seminar über den gelungenen Auftritt im digitalen Raum eingefunden haben. Sie alle erhoffen sich von dem Workshop, der von der Evangelischen Stadtakademie veranstaltet wird, Tipps, wie sie sich vor der Computer-Kamera besser präsentieren können.
"Online ist nicht vorbei", sagt Schauspielerin Lechthaler. Die gebürtige Münchnerin macht den Teilnehmern vor, worauf es ankommt: Sie zeigt Fotos von sich in ihrer Wohnung auf der Suche nach dem perfekten Hintergrund. Tatsächlich könne man bei dieser Auswahl einiges falsch machen, sagt sie und empfiehlt, sich besser nicht in die Küche zu setzen, wo sich das Geschirr hinter einem auftürmt oder vor das Bücherregal - denn dann seien die anderen nur damit beschäftigt, die Titel zu entziffern. Auch die weiße Wand sei zu neutral. Außerdem sei darauf zu achten, dass einem kein Bild oder keine Pflanze "aus dem Kopf wachse".
Auch von virtuellen oder verschwommenen Hintergründen hält Lechthaler nichts: Es gehe darum, einen Raum zu schaffen. Die Kursleiterin selbst hat sich vom Büro der Stadtakademie aus zugeschaltet: Links neben ihr ein rotes Banner mit dem Stadtakademie-Schriftzug und von rechts ranken ein paar grüne Blätter ins Bild.
Viele Regeln des Films helfen
Online-Meetings seien als Ergänzung zu analogen Treffen toll, sagt Lechthaler. Umso wichtiger sei es, sich darin zu professionalisieren. Die Herausforderung sei die kleine Kachel: Man habe nur ein begrenztes Raumangebot, um sich in Szene zu setzen. Ein kleiner Bildausschnitt, der einem wenig Informationen über sein Gegenüber gebe. Gleichzeitig fielen Details schneller ins Auge: der Fleck auf dem T-Shirt oder eine zerknitterte Bluse. Auch Geräusche könnten tückisch sein: Zum Beispiel hörten die Zugeschalteten das Tippen auf der Tastatur viel lauter als sonst.
Damit man auch im digitalen Medium glänze, helfe es, sich bewusst zu machen, dass man da vor einer Kamera auftrete, sagt sie. Deshalb spielten viele Regeln des Films eine wichtige Rolle: der Hintergrund, die Blickhöhe in die Kamera, das Licht oder die Sitzposition. Wie beim Film habe all das eine emotionale Wirkung auf das Gegenüber.
Wie im echten Leben gehe es auch online darum, eine Beziehung aufzubauen. Statt beim Sprechen die Kacheln der Teilnehmer anzuschauen, rät Lechthaler dazu, in die Kamera zu blicken und so Kontakt aufzunehmen. Doch ständig in die Linse schauen gehe auch nicht. Letztlich gehe es um die Dynamik: mal in die Kamera, mal auf die Kacheln. Wer mehr Abwechslung in seinen Onlineauftritt bringe, werde interessanter wahrgenommen, weiß die Trainerin.
"Zoom-Fatigue" vermeiden
Dasselbe gelte für die Sitzposition. "Wenn mein Körper starr ist, wird meine Stimme monoton sein". Darum empfiehlt sie, sich auf die Stuhlkante zu setzen, damit das Becken vor- und zurückwippen kann. Das erlaube Bewegungsfreiheit, man wirke lebendiger und erzeuge mehr Aufmerksamkeit. Zudem könne man sich dadurch einfacher näher an die Kamera und wieder weiter weg bewegen. Das vermeide die sogenannte "Zoom-Fatigue" ("Videokonferenz-Erschöpfung"): Die entstünde dadurch, dass die meisten dicht vor der Kamera sitzen und das "irrsinnig intensiv" wahrgenommen werde.
Die Teilnehmenden probieren das Gelernte gleich aus. Wie man trotz des gezielten Anwendens bestimmter Techniken man selbst bleibe, ist laut Lechthaler ein weiteres wichtiges Thema. Alles, was sie neu lernten, fühle sich anfangs nicht authentisch an, sagt sie den Übenden: "Wenn ich mir aber darüber bewusst geworden bin, welche Wirkung dieses oder jenes Verhalten nach außen hat, kann ich entscheiden, ob ich mich darin üben will, um es mir zu einer neuen Gewohnheit zu machen". So könne sich jeder die Möglichkeiten heraussuchen, die gut in sein persönliches Kommunikations-Repertoire passen.