Am Freitagabend treffen sich rund 20 Menschen aus ganz Deutschland zum Smalltalk. Sie kommen aus Rostock, Berlin, Hannover, Schweinfurt, Nürnberg oder München. Doch trotz dieser räumlichen Unterschiede haben sie zwei große Gemeinsamkeiten: Sie sind alle kirchlich engagiert und sozialisiert - und sie sind Singles.
Bei Online-Treffen der Initiative "Singlefreundliche Kirche" ist die Stimmung offen und vertrauensvoll. Einer der Teilnehmenden nimmt spontan seinen Laptop und führt die Runde in den angrenzenden Hühnerstall. Neben einigen weiß gefiederten Hennen gibt die Kamera den Blick frei auf ein Gelege mit acht Eiern. Die Gruppe ist sich schnell einig: Das nächste Online-Treffen in zwei Wochen wird kurzerhand zur live übertragenen Kochsendung "Eieromelett".
"Allein unter Pärchen"
Doch wie kommt es, dass man sich gerade unter dem Slogan "Singles und Kirche" trifft? Fragt man nach Beruf, Freizeit oder Ehrenamt, sind viele in der Kirchengemeinde vor Ort aktiv. So sind Kirchenmusikerinnen ebenso dabei wie Pfarramtssekretärinnen. Die meisten sind neben der Hauptberufstätigkeit noch ehrenamtlich im Gemeindechor oder Kirchenvorstand aktiv.
Dass Kirche und Single-Sein aber auch Spannungen bedeuten kann, erklärt Laura Halmen. Sie arbeitet in der Kirchengemeinde in Stein bei Nürnberg, ist geschieden und hat drei Kinder. "Nach der Trennung stand ich bei Geburtstagsfeiern alleine neben all den Pärchen", erzählt sie von ihren Erfahrungen. Kirchlich sei sie zwar sehr engagiert gewesen, merkte jedoch, dass es seitens der Institution keine Angebote für Alleinstehende gab.
Negative Wertung als "Einsame"
Darum tat sie sich kurzentschlossen mit Peter zusammen. Er ist ebenfalls geschieden, Vater zweier Kinder und im Kirchenvorstand. Schnell bildete sich eine Gruppe aus fünf Singles, die tatkräftige Unterstützung von Andrea König (forum frauen im Amt für Gemeindedienst) und Günter Kusch (forum männer im Amt für Gemeindedienst) erhielten. Mittlerweile umfasst die Single-Gruppe in Stein Menschen verschiedener Konfessionen und Kirchengemeinden. "Singles sollen sich wahrgenommen und in ihrer Gemeinde angenommen fühlen", fasst Laura Halmen das Anliegen der Initiative zusammen.
Dass dieses Angenommensein jedoch in vielen Kirchengemeinden nicht stattfindet, zeigen die Berichte der Anwesenden. So erzählt eine Frau, dass die kirchlichen Angebote ihrer Gemeinde ausschließlich mit familiären Kontexten verknüpft seien. Wenn Gemeindefeste und Predigten stark auf Paare, Familie und Kinder ausgerichtet würden, man in den Fürbitten Alleinstehende und Singles als "die Einsamen" erwähnt, habe dies eine negative Wertung. Ähnliche Erfahrungen gibt es auch im Kirchenvorstand. "Im ganzen Gremium bin ich der einzige Single. Alle anderen sind Elternteile, deren Kinder nun konfirmiert werden".
Themenwoche soll andere anregen
Dieses Gefühl grenze aus, ist die Einschätzung. Dass der Kirche durch die Fokussierung auf Taufe, Ehe und Kindergottesdienst viel verloren gehe, ist sich ein anderer Teilnehmer sicher. "Die Kirche muss die Potenziale der Singles erkennen und auf sie zugehen", wünscht er sich.
Das Sichtbarmachen des Single-Alltags in Kirche und Gemeinde ist Ziel der "Steiner Single-Woche". Mit dieser Vortrags- und Workshop-Woche will die Gruppe um Laura Halmen einen Gegenpol zur "Marriage-Week" für Verheiratete setzen. Geplant sind dabei fünf Veranstaltungen. Man möchte gemeinsam kochen, sich Gedanken zur singlefreundlichen Kirche der Zukunft und ein neues Buch zum Thema vorstellen. Die Journalistin Tina Tschage redet etwa über ihr aktuelles literarisches Werk "Einzelstück. Solo leben. Und zwar glücklich", in dem sie sich humorvoll, aber auch provozierend, mit dem Leben als Single auseinandersetzt.
"Diese Aktionswoche soll als Inspiration für andere Gemeinden dienen", erläutert Laura Halmen das Projekt. Pfarrpersonal und Kirchenvorstand sollen sich überlegen, ob man nicht vor Ort vergleichbare Gruppen oder Angebote starten könne. Ihre Ideen und Inspirationen veröffentlicht Laura auf dem Blog "Lauras Sterne", der auf der Homepage www.singlesundkirche.de zu finden ist.
Die Nachfrage ist vorhanden. Dies beweist etwa das christliche Netzwerk "Solo & Co.". Das Online-Forum wurde 2006 von der evangelischen Pfarrerin Astrid Eichler gegründet und hat mittlerweile über 1000 Mitglieder aus ganz Deutschland. Idee ist die regionale Vernetzung christlicher Singles. "Beim letzten Treffen waren wir rund 70 Leute", berichtet eine Teilnehmerin. Die Singles trafen sich in virtuellen Kleingruppen und unterhielt sich über gemeinsame Themen, etwa Bücher oder Spiele. "Stadt-Land-Fluss, Online-Kaffeetrinken oder ein Krimi-Dinner", zählt sie die Aktionen der vergangenen Wochen auf. Wenn so etwas online möglich sei, warum dann nicht auch in der heimischen Kirchengemeinde, fragt sie.