Schlafraum in der Unterkunft
© epd-bild/Hans Scherhaufer
In der neu eröffneten Notunterkunft im Stadtteil Schöneberg können sich täglich bis zu 30 obdach- und wohnungslose Menschen tagsüber in der Unterkunft aufhalten, duschen und ausruhen.
Hitzehilfe-Notunterkunft
Tagsüber einfach nur der Hitze entfliehen
Hilfe in Berlin für Arme, Prostituierte und Drogenabhängige
Kältehilfe gibt es in Berlin seit Langem. Doch immer mehr wohnungslose Menschen sind auch im Sommer auf Hilfe angewiesen - wegen der hohen Temperaturen. Die Hitzehilfe-Notunterkunft in Schöneberg bietet neben Getränken und Duschen auch Beratung.

Vor der Tür riecht es in der brütenden Sommerhitze nach Urin. Auch deshalb seien die Anwohner froh, dass in der Kurmärkischen Straße im Stadtteil Schöneberg Berlins erste Hitzehilfe-Notunterkunft eröffnet wird, sagt Janette Werner. In der Umgebung mangle es an öffentlich zugänglichen Toiletten, erklärt die Regionalleiterin des Internationalen Bundes (IB), des Trägers der Einrichtung.

Am Eingang steht der Hund eines Mitarbeiters und wartet scheinbar auf Gäste. Er strahlt die Ruhe aus, die das Haus Menschen bieten soll, die in der Umgebung auf der Straße leben. Wichtig für die Nutzer ist laut Werner vor allem die Möglichkeit, eine Toilette nutzen und duschen zu können.

Als Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) kommt, um die Hitzehilfe offiziell zu eröffnen, schläft in einem Vierer-Zimmer bereits eine Frau auf einem Hochbett. Viele seien froh, dass sie tagsüber der Hitze entfliehen können, denn sie wollten im Sommer vielfach die Nächte lieber auf der Straße verbringen, sagt Werner.

Nur wenn die Frauen zur Ruhe kämen und Vertrauen fassten, öffneten sie sich auch für Beratungsgespräche, betont sie im Hinblick auf Opfer von Zwangsprostitution. Die betroffenen Frauen stünden für "das größte Elend in Berlin", betont Stefan Erhardt, IB-Bereichsleiter für Wohnungslosenhilfe in Berlin-Brandenburg.

v.l.: Kerstin Ewert, Geschäftsfuehrung Internationaler Bund Berlin; Matthias Steuckardt, Sozialstadtrat in Tempelhof-Schöneberg und Sozialsenatorin Katja Kipping (LINKE) vor der Hitzehilfe-Notunterkunft.

Die Einrichtung sei im von Prostitution, Drogen und Armut geprägten Umfeld im Gegensatz zu anderen Stadtteilen willkommen, erklärt der für Soziales zuständige Bezirksstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Matthias Steuckardt (CDU). Im Winter wird in dem Haus Kältehilfe angeboten.

Die Senatssozialverwaltung unterstütze die Notunterkunft mit 100.000 Euro, sagt Kipping in der Anlaufstelle für obdachlose Menschen an heißen Tagen. Das Modellprojekt läuft bis Ende September. Die Einrichtung sei Teil der Maßnahmen, die der Senat als Hitzehilfen fördert, fügt Kippping hinzu. Dazu gehöre unter anderem das Projekt "Karuna Hitzehilfe für obdachlose Menschen", das seit zwei Jahren läuft und von der Senatssozialverwaltung demnach mit 400.000 Euro pro Jahr unterstützt wird.

Obdachlose erhalten Unterkunft, zubereitetes Essen und Getränke sowie Thermosflaschen, Kleidung, Sommerschlafsäcke und Sonnenschutzprodukte.

In der Schöneberger Hitzehilfe-Notunterkunft können sich täglich an sieben Tagen die Woche bis zu 30 obdach- und wohnungslose Menschen von 10.00  bis 20.00 Uhr aufhalten, duschen und ausruhen. Sie erhalten vor Ort zubereitetes Essen und Getränke sowie Thermosflaschen, Kleidung, Sommerschlafsäcke und Sonnenschutzprodukte. Für Corona-Fälle und Menschen mit psychischen Problemen stehen Einzelzimmer zur Verfügung. Im Übrigen kann zwischen Frauen-, Männern- oder gemischten Zimmern mit drei bis vier Betten gewählt werden.

Neben der Dusche in einem Anbau können die Gäste auch ein Dusch-Mobil nutzen, das dreimal wöchentlich vor der Einrichtung hält. Im Garten hinter dem Haus stehen im hohen Gras eine Schaukel und eine Rutsche. Im großen Gemeinschaftsraum setzt neben Getränken ein großer Teller mit Wassermelonenstücken einen roten Farbakzent. Das zweistöckige Haus hätte eigentlich abgerissen werden sollen. Aber gerade, dass es so klein ist, erweckt den Eindruck, ein echtes Zuhause zu sein.

Die Sozialsenatorin fordert dazu auf, Notfallnummern anzurufen, wenn Menschen bei Hitze auf der Straße in der Sonne einschliefen und Hilfe benötigten: "Auch Hitzeschlag kann lebensgefährlich sein", betont Kipping bei der Eröffnung.

Vor dem Eingang steht derweil Velev aus Bulgarien und unterhält sich mit einem Freund. "Ich brauche kein Geld, ich brauche nur einen Schlafplatz und Essen, das reicht", sagt der 29-Jährige, der nach eigenen Angaben seit zehn Jahren in Berlin lebt. Zum bulgarischen Konsulat könne er allein gehen, um sich Ersatz für seine verloren gegangenen Ausweispapiere zu beschaffen.