Manche Kirchenorgel sollte man in einem trockenen Sommer besser nicht einschalten. Denn sie pfeift und zischt, selbst wenn der Organist noch keine einzige Taste gedrückt hat. Das kommt vom verbauten Holz, das sich in der Trockenheit verzieht oder sogar reißt und damit dem Luftstrom Wege freigibt, die eigentlich verschlossen sein sollten. Erhebende Kirchenmusik ist mit so einem Instrument nicht mehr möglich.
Dass es sich dabei keineswegs um ein Randproblem handelt, berichtet der Leiter des Orgel- und Glockenprüfungsamtes der Evangelischen Landeskirche in Baden, Martin Kares. Von den 900 Orgeln in badischen evangelischen Gotteshäusern seien 300 gefährdet, davon 100 sogar sehr stark. Einige könnten vorübergehend nicht gespielt werden. Nach einer Phase der Trockenheit forme sich das Holz dann häufig in den ursprünglichen Zustand zurück.
Nicht funktioniert hat das in der evangelischen Kirche von Daudenzell im Neckar-Odenwald-Kreis. Dort hat die fehlende Luftfeuchtigkeit wesentliche Holzteile bersten lassen. Seit zwei Jahren ist das Instrument verstummt. Eine Reparatur würde 30.000 bis 40.000 Euro kosten - zu viel für die Gemeinde vor Ort.
Der Wassergehalt in der Luft ist entscheidend für die Orgeln. Zu viel bekommen die Kirchen im Inneren immer ab, wenn warme Luft von außen hereingelassen wird - die Feuchtigkeit kondensiert dann am kalten Gemäuer. Das führt unter anderem zur Schimmelbildung und zu quellendem Holz. Zu wenig bekommen sie an trockenen Sommer- und Wintertagen, was zu den unerwünschten Veränderungen im Orgelholz führt.
Teilweise fürchterlichen Folgen für die Instrumente
Doch auch im trockenen Sommer können Kirchengemeinden Schäden an ihren häufig wertvollen historischen Orgeln verhindern. Kares empfiehlt, in den Kirchenräumen Regenwasser auszugießen, um auf diese Weise die Luftfeuchtigkeit künstlich in die Höhe zu treiben. Zu seinem Bedauern informierten sich die lokalen Gemeinden zu wenig - mit teilweise fürchterlichen Folgen für die Instrumente.
Das bestätigt der Präsident des Verbandes Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland, der württembergische Bezirkskantor Peter Ammer. Er beobachtet mangelnde Sachkenntnis bei vielen Mesnerinnen und Mesnern. Diese öffneten beispielsweise an sonnigen Tagen gerne Kirchentüren und -fenster, um das Gotteshaus kostenlos aufzuwärmen. Doch gerade diese schnellen Temperaturschwankungen seien Gift fürs Instrument.
Eine Mannheimer Gemeinde hat sich mit einer unkonventionellen Methode der für die Orgel gefährlichen Trockenheit angenommen. In der Markus-Kirche seien an den heißesten Tagen im vergangenen Jahr täglich 80 Liter Wasser aus dem Schlauch verteilt worden, berichtet Pfarrerin Martina Egenlauf-Linner. Luftbefeuchter für den riesigen Kirchenbau mit seinen 600 Sitzplätzen wären keine bezahlbare Alternative gewesen.
In der Markus-Kirche und der benachbarten Lukas-Kirche haben die Verantwortlichen sogar eine zusätzliche Lösung installiert: Sie stellten in beiden Gotteshäusern insgesamt fünf gefüllte Planschbecken auf, in denen sie jeweils einen Ytong-Stein platzierten. Durch den Kapillareffekt stieg die Feuchtigkeit im Stein nach oben und erhöhte so die Verdunstungsfläche.
In diesem Jahr mussten die Mannheimer noch nicht zu solchen Maßnahmen greifen. Durch das nasse Frühjahr hatte es eher zu viel Feuchtigkeit an der Orgel als zu wenig. "Ich bin selbst Organistin, ich behalte das genau im Auge", sagt Pfarrerin Egenlauf-Linner.