epd: Ist es in Ordnung, jemandem einfach eine neue Flasche Wasser anzubieten?
Melanie Mücher: "Ich finde es immer wichtig und richtig, Menschen Hilfe anzubieten. Eine freundliche Nachfrage, ob jemand z.B. Wasser braucht, halte ich nicht für stigmatisierend. Unsere Erfahrung zeigt: Menschen, die auf der Straße leben, freuen sich über Ansprache und Aufmerksamkeit. Sie erleben in ihrem Alltag meist das Gegenteil: Kaum jemand spricht mit ihnen. Wichtig ist, wenn jemand, aus welchen Gründen auch immer, Hilfe oder eine Flasche Wasser ablehnt, diese Entscheidung zu akzeptieren."
Was kann ich tun, wenn ich einen Menschen in der prallen Sonne liegen sehe? Wie gehe ich am besten vor?
Mücher: "Obdachlose Menschen sind oft in einem schlechten gesundheitlichen Allgemeinzustand. Häufig sind es schwere Schicksalsschläge, die sie auf die Straße gebracht haben. Dort sind sie einem Dauerstress ausgesetzt. Sie haben keine Ruhe oder geregelten Mahlzeiten, oft sind sie vorerkrankt oder es werden Alkohol oder Drogen konsumiert. All das führt dazu, dass z.B. ihr Herz-Kreislauf System ohnehin belastet ist.
Auch ein völlig gesunder Mensch sollte sich mittags nicht in die pralle Sonne legen. Vorbelastete Menschen schon gar nicht. Ich würde also vorschlagen: Ansprechen, fragen, ob die Betroffenen Unterstützung brauchen, ggf. Wasser anbieten, in akuten Notsituationen einen Rettungswagen rufen."
Welche Angebote der Diakonie gibt es für Obdachlose bei Hitze?
Mücher: "Im Diakonie-Zentrum für Wohnungslose erhalten obdach- und wohnungslose Menschen Trinkwasser, können sich duschen oder waschen und tagsüber aufhalten - sind dann also nicht der Sonne ausgesetzt. Obdachlose Menschen bekommen auch in allen anderen Diakonie-Mitgliedseinrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe bei Hitze Unterstützung.
Unser Mitternachtsbus fährt jede Nacht zu den Schlafplätzen obdachloser Menschen und versorgt bis zu 200 Menschen mit Trinkwasser. Auch unsere Straßensozialarbeiterinnen und -arbeiter geben auf ihren Touren bei Bedarf Wasser und Sonnencreme aus."