Zerstörte Brücken, eingestürzte Häuser, verwüstete Friedhöfe, Ortschaften voller Müll und Schlamm - in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 verwandelten sich Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in eine Trümmerwüste. Über 180 Menschen verloren ihr Leben, 134 davon allein im einst bei Wanderern und Weinfreunden beliebten Ahrtal, das auf rund 40 Kilometer Länge zerstört wurde.
Mitte Juli 2021 sorgt das Tiefdruckgebiet Bernd über Teilen Mitteleuropas für ausgiebige Niederschläge. Nach mehrtägigen, heftige Regenfällen treten im Laufe des 14. Juli schließlich viele Flüsse über die Ufer, insbesondere in der Eifelregion und westlich davon in Belgien.
Im Ahrtal, wo die Menschen an gelegentliche Hochwasser-Ereignisse gewöhnt sind, steigen die Pegel in einem nie dagewesenen Tempo. Während im Krisenzentrum in der Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler noch gezögert wird, den Katastrophenfall auszurufen, werden flussaufwärts, bereits Autos durch die Straßen gespült, die Sirenen fallen aus und Telefonnetze brechen zusammen.
"Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch wir haben unterschätzt, wie schnell das Wasser kommt", berichtet der Wehrleiter der Verbandsgemeinde Altenahr, Frank Linnarz, später. Der beschauliche Fluss habe sich innerhalb von Stunden in einen lebensgefährlichen, reißenden Strom verwandelt. Viele vergleichen das Geschehen später mit einem Tsunami. Unzählige überleben nur, weil sie sich auf Dächer oder Bäume flüchten. Viele andere, darunter zwölf Bewohner einer Behinderteneinrichtung in Sinzig, können nicht mehr rechtzeitig evakuiert werden und ertrinken.
Am folgenden Morgen sind etliche Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten und nur über Waldwege oder per Hubschrauber erreichbar. Zunächst fehlt den rheinland-pfälzischen Behörden daher selbst ein grober Überblick über das Ausmaß der Katastrophe. In Nordrhein-Westfalen werden derweil Tausende Menschen evakuiert - aus Angst, übervolle Talsperren könnten brechen.
Nicht nur viele Anwohner in den Flutgebieten verlieren Angehörige, Freunde und ihre Existenz. Auch der Staat ist zunächst mancherorts kaum noch handlungsfähig.
In der am stärksten verwüsteten Verbandsgemeinde Altenahr sind mit dem zerstörten Verwaltungsgebäude auch alle PCs, Akten, Grundbuch-Pläne und Einwohnermeldedaten in der Flut untergegangen. Die Verwaltungsbediensteten versuchen, vom Schankraum eines erhöht gelegenen Weinlokals aus für Ordnung in einer Katastrophenzone ohne befahrbare Straßen, Wasser oder Stromversorgung zu sorgen. Von apokalyptischen Schäden spricht der Mainzer Innenminister Roger Lewentz (SPD).
In ihrem Abschlussbericht beziffert die Bundesregierung die materiellen Schäden auf 30 Milliarden Euro. Ein Jahr nach der Katastrophe gibt es wieder Heizwärme, Abwasserversorgung und Schulen in der Region.
Dennoch erinnern weiter viele Straßenzüge voller vernagelter Fenster an ein Kriegsgebiet, und die Anwohner sind hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihre zerstörte Idylle wiederaufzubauen oder doch die Zelte abzubrechen. Viele klagen über die schleppende Bearbeitung der Anträge auf Hilfsgelder.
So mancher habe wohl auch sein Gottesbild "vor die Tür zum Sperrmüll gestellt", formulierte es der katholische Pfarrer Jörg Meyrer aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Andere wiederum hätten mitten in dem Elend zum Glauben gefunden - insbesondere vor dem Hintergrund der nie dagewesenen Hilfsaktion, die bald nach der Flutkatastrophe anrollt.
Neben den professionellen Rettungskräften von Feuerwehren, Technischem Hilfswerk oder Bundeswehr kommen auch Zehntausende Freiwilliger aus der ganzen Republik zum Schlammschaufeln, Müllräumen oder Butterbroteschmieren in die Unglücksregion. Viele Betroffene erleben die nahezu grenzenlose Hilfsbereitschaft völlig unbekannter Menschen als enormen Trost in ihrer verzweifelten Lage.