Die Hilfsorganisationen in den Überschwemmungsgebieten können nach eigenen Angaben derzeit keine weiteren Sachspenden entgegennehmen. „Das Engagement und die Spenden seit dem Ende der letzten Woche waren so überwältigend, dass die Sichtung, Sortierung und auch die Logistik gerade die Kapazitäten der Verbände vor Ort übersteigen“, teilte die „Aktion Deutschland Hilft“, ein Bündnis aus 23 Hilfsorganisationen, am Montag mit.
Nach der Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Todesopfer auf 160. Allein bei den verheerenden Überschwemmungen im Kreis Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) starben mehr als 100 Menschen. Es wird weiter nach Vermissten gesucht.
Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) forderte die Bevölkerung zu Geldspenden für die Betroffenen der Unwetterkatastrophe in Deutschland auf. „Geldspenden können viel flexibler und effizienter eingesetzt werden als Sachspenden“, sagte die stellvertretende DZI-Geschäftsführerin Christel Neff dem epd. „Angesichts der Zerstörungen wird unglaublich viel Geld nötig sein“, sagte Markus Lahrmann von der Caritas in Nordrhein-Westfalen.
Sachspenden machen laut Neff vor allem dann Sinn, wenn die Hilfsorganisationen vor Ort diese erbitten. „Die Lager sind aber voll“, sagte Caritas-Sprecher Lahrmann dem epd. Deshalb müssten Sachmittel, darunter zum Beispiel auch Paletten mit gespendeten Lebensmitteln, zurückgewiesen werden.
Neff äußert sich erfreut über die „enorme Anteilnahme“ vieler Menschen an dem Schicksal der Überschwemmungsopfer. Zur Höhe der bereits eingegangenen Geldspenden gab es keine konkreten Angaben.
„Das Team von 'Aktion Deutschland Hilft' hat seit der Öffnung des Spendenkontos am Donnerstag quasi durchgehend gearbeitet, um die vielen Unterstützungsangebote - Geldspenden und Sachspendenangebote - zu bearbeiten“, so Pressesprecherin Birte Steigert. Nach ihrer Einschätzung ist die Geldspendenbereitschaft „mindestens so hoch ist wie beim Hochwasser 2013“. Damals kamen fast 160 Millionen Euro an Spendengeldern zusammen.
Laut „Aktion Deutschland hilft“ haben Organisationen am Montag berichtet, dass in den betroffenen Regionen in NRW und Rheinland-Pfalz weiterhin vor allem Bergung und Rettung sowie die Versorgung von Evakuierten im Mittelpunkt der Arbeit der Einsatzkräfte stehen. Hinzu kämen die Feststellung von Gebäudeschäden und Statik-Überprüfungen, bevor betroffene Menschen wieder in ihre Häuser gehen können.
Das Bundeskabinett will am Mittwoch über staatliche Hilfe für die Flutopfer und den Wiederaufbau der Infrastruktur entscheiden. Neff geht davon aus, dass die staatliche Unterstützung nicht ausreichen wird, um den Wiederaufbau komplett zu finanzieren.
Das DZI empfiehlt unter anderem die Spendenkonten von „Aktion Deutschland Hilft“, Deutschem Caritasverband, Diakonie Katastrophenhilfe, Deutsches Rotes Kreuz, Aktion Lichtblicke in Oberhausen und Help - Hilfe zur Selbsthilfe in Bonn. Die DZI Spenden-Info „Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands“ steht online oder kann schriftlich beim DZI bestellt werden.
Diakonie Sachsen bittet um Unterstützung für Flutopfer
Die Diakonie Sachsen ruft zu Spenden für die Menschen in den Hochwassergebieten in Deutschland auf. „Wir wissen in Sachsen gut, wie zerstörerisch solche Überschwemmungen sind und wie wichtig Hilfe von außen ist“, so Sachsens Diakonie-Chef Dietrich Bauer am Montag in Radebeul bei Dresden. Es sei „unfassbar, wieviel Tod und Zerstörung die Fluten in den Katastrophengebieten von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gebracht haben“.
Die Bewohner:innen in den Flutgebieten benötigten jetzt „allen Beistand und ich bitte dringend darum, sie mit Spenden zu unterstützen“, sagte Bauer. Gerade Sachsen und Sächsinnen wüssten, wie wichtig Hilfe von außen sei. Das hätten sie während den Flutkatastrophen 2002 und 2013 erfahren.
Unterstützung und Solidarität werde angesichts des Klimawandels und der Wetterextreme immer wichtiger, erklärte Bauer. Die Diakonie Sachsen unterstützt den Spendenaufruf „Sachsen hilft“. Dafür wurde von der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrt und vom Freistaat Sachsen ein Spendenkonto für die Betroffenen des Hochwassers eingerichtet.
Sächsische Einsatzkräfte des DRK und der Diakonie Meißen unterstützen Menschen nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz. Sechs Mitarbeitende der Krisenintervention und der Notfallseelsorge des Landkreises Meißen sowie rund 50 Helfer:innen aus ganz Sachsen werden vor Ort im Einsatz sein, so der DRK-Kreisverband Dresden-Land am Montag in Radebeul. Sie wollten noch am Montag von Dresden aus ins Krisengebiet starten. Auch Tage nach dem Geschehen sei der Hilfebedarf vor Ort immens, hieß es. Tausende stünden vor den Trümmern ihrer Existenz. Vor Ort sollen die sächsischen Einsatzkräfte Betroffenen zur Seite stehen und auch Fachpersonal anderer Bereiche psychosozial betreuen.
„Wir wissen noch nicht genau, welche Situationen und Eindrücke uns vor Ort erwarten“, erklärte der sächsische Teamleiter Innocent Töpper. Sicher sei aber: In einer derartigen Katastrophe dürfe der seelische Beistand für die unzähligen Betroffenen nicht zu kurz kommen.
Seehofer: Gute Kooperation der Hilfswerke und Behörden
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat bei einem Besuch der Steinbachtalsperre in Euskirchen die Arbeit der Hilfsorganisationen als „erstklassig“ gewürdigt. Er bekräftigte zudem die Bedeutung eines dezentral und föderal organisierten Katastrophenschutzes. „Zentralismus verbessert nichts, wir brauchen bestimmte zentrale Einheiten wie das Technische Hilfswerk, aber nicht eine Entscheidungsbefugnis in Berlin“, sagte er am Montag im Kreis Euskirchen.
In NRW mussten unter anderem im Kreis Euskirchen an der Steinbachtalsperre Ortschaften wegen eines befürchteten Dammbruchs evakuiert werden. Die meisten Orte wurden mittlerweile wieder freigegeben. Die akute Gefahr eines Staumauerbruchs bestehe nicht mehr, hieß es.
Seehofer widersprach Vorwürfen, Unwetterwarnungen seien nicht schnell genug über behördliche Meldewege weitergegeben worden. Vor Unwettern warne der Deutsche Wetterdienst und über die Bundesländer gelangten die Information an die Kommunen, die vor Ort die Entscheidungen träfen, erläuterte er und betonte: „Die Meldewege des Bundes haben funktioniert.“
Gemeinsam mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) reiste Seehofer in Flutwasserkatastrophengebiete von NRW. Anschließend wollte Seehofer seinen Besuch in Rheinland-Pfalz fortsetzen. Seehofer kündigte an, dass zügig Grundlinien für Hilfsgelder beraten würden. Er sicherte eine zügige Umsetzung von Unterstützungen zu
Seelsorger: Perspektiven geben Menschen Halt
Der Traunsteiner Dekan und ehemalige Seelsorgereferent Peter Bertram hält ein schlichtes „Das wird schon wieder“ als Trost für die Opfer der Hochwasser-Katastrophe für unangemessen. Wer gerade seine Existenz habe den Hang hinunterschwimmen sehen, werde solche, wenn auch gut gemeinten Vertröstungsworte nicht spüren können, sagte er am Montag dem epd. Am Wochenende war der Südosten Bayerns und insbesondere das Berchtesgadener Land von heftigem Starkregen und Unwetter getroffen worden.
Viele Menschen in Berchtesgaden hätten ihre Häuser selbst gebaut. Da seien ganze Lebenswerke verloren, berichtete Bertram. Zudem gebe es in der beliebten Touristenregion viele Beherbergungsbetriebe, so dass durch die Unwetterschäden Existenzen auf dem Spiel stünden. So richtig fassen, was geschehen ist, könnten die meisten Menschen das aktuell noch nicht, sagte der Seelsorger. Derzeit sei vor allem die Stunde der vielen Helfer. Die Zeit der Seelsorge komme erst, „wenn der Schlamm von den Straßen wieder weg ist“, sagte Bertram. Dafür habe man eine hohe Wachsamkeit und werde da sein, wo man gebraucht werde.
Es gelte dann zunächst, die schlimmen Situationen auszuhalten, seien es die Ohnmacht oder die Wut auf eine verfehlte Klimapolitik oder auf eine falsche Bauart. Wichtig sei auch, dass Zusagen langfristiger Unterstützung von Politikern, Kommunen und Versicherungen eingehalten werden, um den Betroffenen wieder eine Perspektive zu ermöglichen.
Insgesamt habe das Unwetter im Flächendekanat Traunstein vor allem die Kirchengemeinde Berchtesgaden getroffen. Jedoch habe es glücklicherweise keine unterspülten Kirchen oder andere größere Schäden an Gemeindehäusern gegeben, sagte Bertram, bis auf ein paar feuchte Keller, die aber in dieser Gegend nichts Ungewöhnliches seien.