Karten mit Fotos von Himbeerpackungen, Brötchen oder tiefgefrorener Lasagne bedecken die Tische. Der Supermarkt-Preis steht auf der Rückseite. Die Konfirmandinnen Sarah (15) und Julie (14) aus Hünstetten (Rheingau-Taunus-Kreis) sind erstaunt: "Für fünf Euro am Tag können wir nur billige Lebensmittel aussuchen, keine gesunden. Was wichtig wäre, ist zu teuer." Der Stand des Evangelischen Stadtjugendpfarramts Mainz macht anschaulich, für wie wenige Lebensmittel der Hartz-IV-Tagessatz reicht. "Viele sind erstaunt, dass Chips und Süßigkeiten in dem Satz nicht drin sind", sagt die Schülerin Charlotte Freytag, die den Stand betreut. "Auch bio geht nicht."
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) veranstaltet als einzige Landeskirche in Deutschland seit 2002 alle zwei Jahre einen Jugendkirchentag. Unter dem Motto "Heute. Zusammen. Für Morgen!" werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Alter zwischen 13 und 27 Jahren bis Sonntag mehr als 250 Programmpunkte geboten. Unter Zeltdächern und unter freiem Himmel werden Fragen des Klimawandels ebenso behandelt wie Fragen der sexuellen Vielfalt und Formen des modernen Glaubenslebens. Unterhaltung und ernste Themen liegen dicht beieinander. So klettern Jugendliche in einem mobilen Schwimmbecken auf Gummitiere und spritzen sich nass.
"Die Gemeinschaft mit anderen jungen Leuten überzeugt", finden Sophia und Anna Marie Dörfler aus Hungen bei Gießen. Die Schülerinnen sind das vierte Mal auf einem Jugendkirchentag. Früher haben sie als Ehrenamtliche in Schulquartieren mitgearbeitet, dieses Mal genießen sie mehr: "Wir lassen uns treiben." Von der Mitte Gernsheims bis zu den Wiesen am Rhein und der Mole zwischen Fluss und Containerhafen zieht sich das Gelände hin.
Noah Wöll (16) liebt die "tolle Stimmung" auf Jugendkirchentagen. Der Schüler aus Schönborn (Rhein-Lahn-Kreis) ist zum zweiten Mal dabei. "Ich bin nicht gläubig, aber interessiert an einem Austausch über Glaubensfragen", sagt er. Der Physikliebhaber liest in der Bibel und spielt im Gottesdienst Orgel. Für diesen Tag freut er sich auf eine Theateraufführung in einer Rheinfähre.
Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, ist am Freitag auch gekommen. Alle seien motiviert, findet sie. In einem Gottesdienst seien die jungen Besucher auf die Bänke gestiegen und hätten begeistert mitgesungen. Die drei Themengebiete "Identitown", "Futuranien" und "Digitopia" böten einen guten Zugang für junge Leute zu den Themen der Zeit.
Auch über den Glauben wird gesprochen: "Wir müssen nicht Influencer und Stars sein. Gott liebt uns so", sagt eine junge Frau auf einer Gottesdienstbühne. Sie habe seit elf Jahren Diabetes, berichtet sie. "Es gibt immer wieder Momente, in denen ich nicht tun kann, was ich will. Das ist ein Teil von mir, das ist gut so." Ihre Zuversicht habe mit dem Vertrauen auf Gott zu tun: "Gott gibt mir Kraft und Halt, obwohl mein Körper unvollständig ist."
"Was sind good news, die ihr teilen wollt?", heißt es an einem Stand des Evangelischen Jugendwerks Hessen. Besucher haben Zettel hinterlassen: "Keine Klausuren mehr dieses Schuljahr", "Die Produktion von Haferdrink verursacht 4,5 mal weniger CO2 als bei Kuhmilch" oder "Fünf gute Nachrichten sind notwendig, um eine schlechte auszugleichen". Die Botschaften werden fotografiert und in einen Instagram-Account hochgeladen. Martin Schönstedt (23) gehört zum Team. "Es ist cool, wie viele junge Menschen eine Gemeinschaft bilden und dass die ganze Stadt vom Jugendkirchentag erfüllt ist", findet der Darmstädter Student der IT-Security.
Das empfindet auch der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung. "Es ist sehr stimmungsvoll, ich spüre viel Begeisterung", sagt er. Viele junge Leute freuten sich, dass nach den Corona-Lockdowns wieder so ein Treffen möglich sei. Die Verbindung zwischen Glauben und verantwortungsvollem Handeln sei spürbar. Die Frage "In welcher Welt wollen wir leben?" bewege viele junge Leute in der Kirche. Der Jugendkirchentag wolle dazu Impulse geben.