Geflüchtete aus der Ukraine erhielten zwar seit 1. Juni Zugang zu Sozialleistungen, notwendige Hilfen wegen einer Behinderung etwa bei der Eingliederungshilfe würden ihnen aber häufig versagt, erklärten EKD und Diakonie Deutschland am Freitag in Bielefeld.
Die EKD-Ratsvorsitzende und westfälische Präses Annette Kurschus und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie zeigten sich am Freitag bei einem gemeinsamen Besuch der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld beeindruckt von der kurzfristigen Aufnahme von bundesweit über 350 Flüchtlingen mit und ohne Behinderungen an den Bethel-Standorten.
Lilie verlangte, Geflüchtete mit Behinderungen sollten nicht lange und mit großem Verwaltungsaufwand auf eine behindertengerechte Unterkunft, Rollstühle und andere medizinische Hilfe warten müssen. Während im Blick auf die in Bethel aufgenommene große Gruppe die Signale der Behörden "auf Kooperation" stünden, gebe es Schwierigkeiten "in der Fläche", schilderte der Diakonie-Präsident. Dies gelte vor allem für Einzelpersonen und einzelne Familien. Angesichts der "brutalen Kriege" in der Ukraine und anderen Teilen der Welt wäre es "angemessen, die für Ausländer geltende gesetzliche Einschränkung der Eingliederungshilfe für Flüchtlinge aufzuheben", sagte Lilie.
Die Geschäftsführerin von Bethel.regional, Sandra Waters, sagte, zum Glück habe die in den Betheler Häusern Mamre und Ebenezer untergekommene Gruppe von 109 Geflüchteten mit Behinderung und 17 Betreuerinnen Unterlagen zu Diagnosen und medizinischer Behandlung mitgebracht. Die Menschen hätten ihr 70 Kilometer von Kiew entferntes Heim in den ersten Kriegstagen verlassen müssen und seien durch Vermittlung der NRW-Landesregierung über Polen nach Bethel gelangt. Man sei nun mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Träger der Eingliederungshilfe im Gespräch und hoffe bei der Aufnahme der Menschen in das Hilfesystem auf ein "pragmatisches, schnelles Verfahren", erklärte Waters.
Die EKD-Vorsitzende und westfälische Präses Kurschus betonte, Menschen mit Behinderungen hätten es in der Situation von Krieg und Flucht "noch ganz anders schwer". Die Kinder erlebten zwar nach der Aufnahme in Bethel "einen Kulturschock im positiven Sinne", dennoch litten sie auch an einem Verlust der gewohnten Sicherheiten. Auch die Betreuerinnen müssten sich in ein neues System einfinden. Diakonie-Präsident Lilie sagte, die Politik müsse dabei helfen, die Qualifikation von Mitarbeiterinnen aus der Ukraine anzuerkennen, damit sie "anständig vergütet" werden könnten.
Kurschus wies auch auf die in der Ukraine verbliebenen Menschen mit Beeinträchtigungen und gesundheitlichen Problemen hin. Das Schicksal dieser "von dem grausamen Angriffskrieg" besonders betroffenen Menschen "dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren", mahnte die EKD-Vorsitzende. Zugleich betonte sie, Geflüchtete dürften insgesamt "nicht als potenzielle Arbeitskräfte im sozialen Bereich angesehen werden" - sie seien Menschen in einer Katastrophensituation, "die ihrem Heimatland verbunden sind".
Die Direktorin des ukrainischen Behindertenheims, Alla Vereszczak, betonte, für die geflüchteten Menschen sei es eine große Freude, nun zur Schule oder zur Arbeit gehen zu können: "Sie wissen jetzt, dass es weitergeht." Neben der Gruppe aus dem Heim bei Kiew sind den Angaben zufolge 153 weitere Ukraine-Flüchtlinge auf dem Stiftungsgelände in Bielefeld-Bethel aufgenommen worden, vielfach Mütter mit behinderten Kindern.
Der Bethel-Vorstandsvorsitzende Ulrich Pohl sagte, viele ukrainische Menschen mit Behinderungen seien durch die Flucht von Eltern und Angehörigen getrennt worden. Es werde vermutlich viel Zeit vergehen, bis sie zurückkehren könnten. In den Häusern Mamre und Ebenezer in Bielefeld-Bethel leben den Angaben zufolge derzeit 109 Geflüchtete und 17 Betreuerinnen. Auf dem Stiftungsgelände in Bielefeld seien weitere 153 Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen worden, vielfach Mütter mit behinderten Kindern.