epd: Herr Bugdahn, warum wählen Paare ein Schnapszahlen-Datum für ihre Hochzeit aus?
Rainer Bugdahn: Das entspricht dem sehr menschlichen Bedürfnis, etwas Unverfügbares mit Sicherheit zu koppeln. Also die Hoffnung, dass in diesem Datum etwas Sicherheit stecken möge für das, was man vorhat, nämlich eine Liebesbeziehung. Man weiß am Anfang ja nie, wie lange es hält. Und man hat es nicht in der Hand, ob es tragfähig ist.
Sind da Reste von magischem Denken im Spiel?
Bugdahn: Auf jeden Fall. Das Datum 22.2.22 ist eigentlich ein ganz normaler Tag. Aber dadurch, dass wir diese Zahlen aufladen, kriegen sie eine andere Bedeutung und werden mit einer besonderen Vorstellung von Glück verbunden. Auch wenn das natürlich nicht wissenschaftlich nachweisbar ist.
"Dadurch, dass wir diese Zahlen aufladen, kriegen sie eine andere Bedeutung und werden mit einer besonderen Vorstellung von Glück verbunden."
Geht es auch schlicht darum, dass man sich den Hochzeitstag besser merken kann?
Bugdahn: Das mag für die Männer eine Merkhilfe sein, die ja oft den Hochzeitstag vergessen. Für die weibliche Seite des Paares hat es, glaube ich, eine höhere Bedeutung. Frauen sind ja oft diejenigen, die eine Hochzeit besonders durchplanen. Es sind eher Frauen, die diese Tage beantragen beim Standesamt.
Wie kommt das?
Bugdahn: Weil Frauen sich mit dem Thema Hochzeit tiefer auseinandersetzen als Männer. Für Männer ist das ein Akt, um die gewachsene Beziehung auf der formalen Ebene zu bestätigen. Für Frauen ist es oft ein Lebenstraum. Ich kenne ganz viele Frauen, die den Tag sehr intensiv vorbereitet haben, weil sie sich schon als kleines Mädchen vorgestellt haben, in welchem Hochzeitskleid sie heiraten und an welchem Tag das sein muss. Die Hochzeit ist dann von A bis Z durchgestylt.
"Ich kenne ganz viele Frauen, die den Tag sehr intensiv vorbereitet haben."
Und die Herren sehen das nüchterner?
Bugdahn: Ja, so ist es oft. Aber das kippt auch. Als Pastor hatte ich mal einen Soldaten, der in der Vorbereitung über das Trauversprechen nur gesagt hat: "Alles klar. Machen wir." Aber während der Trauung war er so gerührt, dass er schluchzen musste und das Trauversprechen nur hinstottern konnte. Ich war dann sehr froh, dass ich den Text abgedruckt hatte in Großbuchstaben und ihm hinhalten konnte.
Erinnert man sich tatsächlich besser an den Hochzeitstag, wenn man an einem Schnapszahlen-Datum heiratet?
Bugdahn: Ich vermute es. Aber ich würde mir die Frage stellen, welche Auswirkung das für die Beziehung hat.
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Halten denn Ehen, die an so einem Datum geschlossen wurden, wirklich länger?
Bugdahn: Das kann man so nicht sagen. Ich glaube, dass es wichtiger ist, wie ich mich am 30.9. oder am 13.7. verhalte in der Beziehung. Und manchmal auch am 25.12. Ich bringe bewusst das Datum Weihnachten ins Spiel, weil das ein Punkt ist, an dem sich Paare, wenn sie so eng aufeinandersitzen, oft so in die Wolle kriegen, dass wir nach Weihnachten ein hohes Maß an Anfragen für Paarberatungen haben. Gerade von Männern, die dann sagen: Meine Frau hat mir an Heiligabend gesagt, wenn ich mich nicht verändere, dann stellt sie mir den Koffer vor die Tür. Diese anderen Daten des Alltags der Beziehung sind die wichtigeren Daten.
"Ich glaube, dass es wichtiger ist, wie ich mich am 30.9. oder am 13.7. verhalte in der Beziehung."
Standesbeamte haben beobachtet, dass Ehen, die an Schnapszahlen-Daten geschlossen werden, auffallend häufig wieder geschieden werden. Haben Sie das auch beobachtet?
Bugdahn: Mir liegt keine Statistik dazu vor. Aber ich kann das nachvollziehen. Denn wenn ich mit einer hohen Erwartung in die Beziehung gehe, kann diese Erwartung natürlich auch enttäuscht werden.
Also besser nicht an einem Schnapszahlen-Termin heiraten?
Bugdahn: Es hat jedenfalls nicht die Wirkung, die man sich davon erhofft. Es ist aber auch nicht schädlich. Paare, die so einen Termin ansetzen, sollten sich auf jeden Fall bewusst machen, welche Erwartungen sie damit verbinden.