Die Institution habe "schändlich" agiert - und sträube sich damals wie heute gegen Aufklärungsbemühungen, sagte Beer gegenüber der Wochenzeitung "Die Zeit".
"Ein Kardinal sagte zu mir, ich sei ein schlechter Priester. Jemand aus dem Domkapitel nannte mich einen Verräter", sagte Beer. "Wenn du Hierarchien angreifst, Herrschaftswissen transparent machen willst, wird blockiert und zurückgeschossen." Er selbst habe alles versucht gegen die Täterschützer. "Aber ich konnte den Apparat letztlich kaum ändern." Die Kirche könne sich selbst nicht aufklären: "Das ist meine bittere Erfahrung."
Auch deshalb habe er vor zwei Jahren sein Amt aufgegeben. "Die Widerstände waren zu groß, selbst für einen Generalvikar." Beer war von 2009 bis 2019 Generalvikar im Erzbistum und damit der zweitmächtigste Mann nach dem Erzbischof Kardinal Reinhard Marx. 2020 wurde er Professor am Zentrum für Kinderschutz (Center for Childprotection, CCP) der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.
In dem am 20. Januar veröffentlichten Missbrauchsgutachten wird ihm bescheinigt, dass er Missbrauchsfälle zwar aufklären wollte, aber auf interne Widerstände gestoßen sei. Die unabhängigen Gutachter der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl attestierten Beer - wie auch Kardinal Marx - eine grundsätzliche Offenheit für die Thematik des sexuellen Missbrauchs, warfen ihm aber unangemessenes Verhalten in vier Fällen vor.
Fehler eingeräumt
Beer sagte dazu, er wolle keine Entschuldigungen für seine Fehler suchen: "Die sind passiert, dafür bin ich verantwortlich, so wie ich als Generalvikar für die gesamte Organisation des Erzbistums die Letztverantwortung trug."
Die Münchner Anwälte hatten im Auftrag des Erzbistums seit 2020 Missbrauchsfälle zwischen 1945 und 2019 untersucht. Die Gutachter fanden in diesem Zeitraum im Erzbistum Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt, sowie 235 Täter, darunter 173 katholische Priester.
Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. werden Fehler im Umgang mit Missbrauchs-Tätern in vier Fällen in seiner Funktion als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982 vorgeworfen. Auch dem amtierenden Erzbischof Marx wies das Gutachten Fehlverhalten in zwei Missbrauchsfällen nach. Er soll in seiner Amtszeit pflichtwidrig Missbrauchsfälle nicht nach Rom gemeldet haben.
Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln fordert nach der Veröffentlichung des eine digitalisierte Personalaktenführung in allen deutschen Bistümern. Das Münchner Gutachten habe einen desolaten Zustand der Verwaltung deutöich gemacht, heißt es in einer Stellungnahme. Das Gremium verlangt weiter die Einrichtung einer Ombudsstelle und von allen Bistümern die Gewährung von Akteneinsicht für Missbrauchsbetroffene. Auch müsse die Rolle der Betroffenenbeiräte gestärkt werden. Unter anderem sollten diese eine beratende Tätigkeit bei der Erstellung von Missbrauchsgutachten ausüben können.