Die vom Hochwasser betroffenen Menschen im nordrhein-westfälischen Erfstadt-Blessem sind laut Pfarrerin Sabine Pankoke bisher so sehr mit Aufräumarbeiten beschäftigt gewesen, dass sie über ihren Verlust kaum nachdenken konnten. "Die Trauer kommt erst nach und nach", sagte die Pfarrerin der evangelischen Gemeinde Lechenich dem Evangelischen Pressedienst.
Auch wenn "Gott sei Dank keine Toten zu beklagen sind", verlange auch der Verlust von Dingen und vor allem Erinnerungsstücken Trauerarbeit. Daher höre sie in langen Gesprächen vor allem zu: "Ich will den Verlust nicht klein reden, will niemandem billigen Trost spenden, sondern die Gefühle ernst nehmen und die Menschen anregen, Worte dafür zu finden", betonte die Pfarrerin.
Das südwestlich von Köln gelegene Erftstadt ist nach den Worten der Theologin zurzeit eine geteilte Stadt: Während die meisten der 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner von der Flut unberührt blieben, ist das Leben im Ortsteil Blessem ganz davon geprägt.
Zuhören und Anpacken
Die Abbruchkante von Erftstadt-Blessem, die die Erft an den Tagen des Hochwassers gerissen hatte, schaffte es auch auf die Titelseite der "New York Times". Acht Häuser stürzten in die Tiefe, andere sind allenfalls zum Teil bewohnbar. "Manche Menschen können obere Stockwerke ihrer Häuser wieder bewohnen, diejenigen aber, die ihr Heim ganz verloren haben, leben zurzeit nicht hier", erzählte Pankoke, die seit 20 Jahren in Erftstadt tätig ist.
Die Pfarrerin bietet mit Kolleginnen aus anderen Gemeinden im November Gesprächskreise für die Betroffenen an. Auch packt sie mit an, organisiert die Essensausgabe der Johanniter im Ortsteil Blessem. "Außerdem können wir Geldspenden verteilen, die wir auch aus ganz Deutschland von Kirchengemeinden, Vereinen oder Einzelpersonen bekommen haben", sagte Pankoke. "So tief der Schmerz über die verlorenen Dinge ist, so groß ist hier aber auch die Dankbarkeit für die überwältigende Hilfe, die wir von Menschen aus ganz Deutschland erfahren haben."
"Manche Narben werden blieben"
In der kommenden Zeit ist es nach den Worten des rheinischen Präses Thorsten Latzel wichtig, die vom Hochwasser betroffenen Menschen weiter zu begleiten. Das gelte vor allem für die jetzige Zeit, "wenn es draußen dunkel, kälter wird und der November kommt, der oft alleine schon für depressive Stimmung ausreicht", sagte er laut in einem Dankgottesdienst für die Notfallseelsorger:innen in Düsseldorf.
Die Katastrophe habe die radikale Verletzlichkeit des Lebens offenbart, so Latzel. "Chaosmächte, die ohne Ziel, Sinn und Plan Leben zerstört haben." Die Flutkatastrophe habe bei vielen Menschen Wunden geschlagen und ein Grundvertrauen erschüttert. "Manche Narben aus dieser Zeit werden bleiben", sagte der leitende Theologe. „In der Landschaft und im Leben der Menschen.“
Vom Starkregen und Hochwasser am 14. und 15. Juli waren in Nordrhein-Westfalen rund 180 Kommunen betroffen - und damit fast die Hälfte der 396 Städte und Gemeinden im Land. Mindestens 49 Menschen kamen nach Angaben der Landesregierung ums Leben. Besonders betroffen von dem Unwetter waren neben dem Rhein-Erft-Kreis auch der Kreis Euskirchen, die Städteregion Aachen, der Rhein-Sieg-Kreis, der Märkische Kreis und die Stadt Hagen.