Die Explosionen seien "eine traurige Bestätigung für die lebensgefährliche Situation in Afghanistan", sagte Bedford-Strohm am Abend des 26. August. Er sei in Gedanken und Gebeten bei den Opfern.
Nun gelte es weiteres menschliches Leid, das auch aus Fehleinschätzungen der Vergangenheit resultiere, wenigstens zu begrenzen, fügte Bedford-Strohm hinzu. Dazu müssten unter anderem alle Wege genutzt werden, um auch nach dem Ende der Evakuierungsflüge Menschen aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen.
Zudem müssten Abschiebungen dorthin nicht nur ausgesetzt, sondern gestoppt werden, sagte der bayerische Landesbischof. Auch müssten die Afghanen, die sich in Deutschland befinden, nun einen sicheren Aufenthaltstitel bekommen, so dass auch der Familiennachzug möglich werde.
Bundeswehr beendet Evakuierung
Die Zahl der Toten bei dem Doppelanschlag am Flughafen Kabul stieg bis zum Nachmittag des 27.8. auf mindestens 110 Menschen, darunter 13 US-Soldaten. Zu den Anschlägen bekannte sich eine Abspaltung der Taliban, die zur Terrororganisation IS gehört, die IS-Khorasan, oder IS-K. Die Gruppe ist für besonders brutale Angriffe bekannt, beispielsweise auf eine Entbindungsstation in Kabul im Mai 2020 mit mindestens 24 Toten. Die USA gingen davon aus, dass weitere Angriffe geplant seien, sagte der Chef des Zentralkommandos der US-Streitkräfte, General Kenneth McKenzie.
Die Bundeswehr hat diese Evakuierungsflüge inzwischen beendet. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) teilte mit, dass alle deutschen Soldatinnen und Soldaten, die verbliebenen Mitarbeiter des Auswärtigen Amts und Bundespolizisten von Kabul nach Taschkent ausgeflogen worden sind. Ihren Worten zufolge wurden Flugzeuge der Bundeswehr zum Zeitpunkt des Anschlags für den Flug in die usbekische Hauptstadt Taschkent beladen.
Luftbrücke soll Menschen versorgen
Die Anschläge hätten deutlich gemacht, "dass eine Verlängerung der Operation in Kabul nicht möglich war", sagte Kramp-Karrenbauer. Die Sicherheitslage und die Entscheidung der Taliban, die militärischen Evakuierungen nach dem 31. August nicht mehr zu dulden, würden das nicht ermöglichen. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte indes nach den Explosionen auf einer Pressekonferenz in Dublin, dass Frankreich die Evakuierungen fortsetzen wolle. "Wir werden weitermachen, so lange es die Lage am Flughafen erlaubt."
Seit Montag vergangener Woche hatten die westlichen Nationen, darunter Deutschland, eigene Staatsbürger, Ortskräfte und andere von den Taliban bedrohte Menschen mit Militärflügen aus dem Land gebracht. Kramp-Karrenbauer zufolge hat die Bundeswehr insgesamt 5347 Menschen, darunter mehr als 4000 Afghanen und rund 500 Deutsche, zunächst nach Taschkent und teilweise bereits weiter nach Deutschland ausgeflogen. Laut US-Regierung wurden seit der Machtübernahme der Taliban insgesamt etwa 95.700 Menschen ausgeflogen.
UN bereiten sich auf Massenflucht vor
Das Welternährungsprogramm kündigte eine Luftbrücke zur Versorgung bedürftiger Menschen in Afghanistan an. Die Flugzeuge sollen zwischen der pakistanischen Hauptstadt Islamabad und Kabul pendeln, wie WFP-Exekutivdirektor David Beasley mitteilte. "Sobald die Evakuierungen beendet sind, bleiben wir mit einer riesigen humanitären Notlage zurück", sagte der Notfalldirektor der WHO, Richard Brennan, dem Sender Al-Dschasira. Der Vorrat an Medikamenten und medizinischen Geräten reiche nur noch für einige wenige Tage, sagte der WHO-Notfalldirektor für die Region, Rick Brennan, in einer Videopressekonferenz in Genf. Lieferungen über den Flughafen Kabul seien wegen Gewalt und Chaos nicht möglich. Die WHO versuche nun, Transporte über den Flughafen in Masar-i Scharif im Norden des Landes abzuwickeln.
Die UN bereiten sich auf eine Massenflucht aus Afghanistan vor. Im schlimmsten Fall könnten mehr als 515.000 Bewohner aus dem Krisenland fliehen, warnte die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Kelly Clements, in Genf. Das UNHCR stelle Hilfsgüter in den Nachbarländern bereit. Neben der Gewalt haben eine anhaltende Dürre und die Folgen der Corona-Pandemie verheerende Auswirkungen auf die Menschen. Etwa 5,5 Millionen Afghaninnen und Afghanen sind den UN zufolge innerhalb des Landes auf der Flucht. Bereits zu Beginn des Jahres brauchte demnach rund die Hälfte der Bevölkerung von 40 Millionen Unterstützung zum Überleben. Etwa eine Million Kinder droht ohne sofortige Hilfe zu verhungern.
Die Bundesregierung hofft indes, auch nach dem Ende der Evakuierungen Menschen aus dem Land holen zu können. Außenminister Maas will am 29. August in die Region reisen, um über Ausreisen von Ortskräften und anderen Schutzbedürftigen mit den Nachbarstaaten Afghanistans zu verhandeln. "Unsere Arbeit geht weiter, und zwar solange bis alle in Sicherheit sind, für die wir in Afghanistan Verantwortung tragen", sagte er.