Es gehe um grundlegende Fragen, sagte Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus: „Welche Kirche wollen wir sein, und wie kommen wir da hin - wie nehmen wir unseren Auftrag im 21. Jahrhundert wahr?“ So soll eine Koordinierungsgruppe gebildet werden, die den Kürzungsprozess steuert. Nichts solle durchgepeitscht werden, betonte Kuschnerus in einer mehrstündigen Debatte: „Wir wollen echte Beteiligung.“
Zur Bedeutung des Prozesses sagte Gemeindepastor Clemens Hütte, es gehe nicht um einen reinen Sparplan, sondern um eine Strukturdebatte und die Frage, was wichtig sei und was nicht. Die nötigen Kürzungen „zwingen dazu, Schwerpunkte zu setzen“, brachte es seine Kollegin Ragna Miller auf den Punkt.
Um ein Kürzungskonzept aufzustellen, schlug die Kirchenleitung Formate wie Workshops, Experten-Interviews, Gesprächsrunden mit Vertretern der Stadtgesellschaft sowie eine externe Beratung vor. Erste Vorschläge für Konzepte könnten möglicherweise im Herbst im Kirchenparlament diskutiert, Beschlüsse vielleicht im Frühjahr kommenden Jahres gefasst werden. Andere Wortmeldungen forderten mehr Zeit für eine solche Generaldebatte.
Im März hatten die mehr als 150 Delegierten der Synode einen Etat verabschiedet, der für das laufende Haushaltsjahr ein Gesamtvolumen von knapp 118,8 Millionen Euro ausweist. In einer teils kontroversen Debatte wurde damals deutlich, dass die Kirche mittelfristig erhebliche Reduzierungen verkraften muss, die ganze Arbeitsfelder infrage stellen könnten. In diesem Zusammenhang sprach der damalige Verwaltungschef Johann Daniel Noltenius, die Kürzungen seien „schon ziemlich der Hammer“.
Der kirchliche Schatzmeister Oliver Gampper hatte prognostiziert, mittelfristig reduziere sich die Finanzkraft der Kirche bis 2030 um etwa 30 Prozent. Vor diesem Hintergrund reichten reine Sachkosten-Reduzierungen nicht aus. Zur Bremischen Evangelischen Kirche gehören 61 Gemeinden mit derzeit rund 175.000 Mitgliedern. Einer Prognose des Freiburger Forschungszentrums Generationenverträge zufolge könnte die Zahl bis 2060 auf rund 84.000 sinken.
Kuschnerus sorgt sich um Kirchenmusik
Singen und das Spielen eines Blasinstrumentes seien angesichts der coronabedingten Infektionsgefahren fragwürdig geworden, sagte Kuschnerus am Mittwoch vor der digitalen Synode der bremischen Kirche. „Das trifft unsere evangelische Tradition. Hier wird noch viel Kreativität gefragt sein, um dann, wenn es wieder möglich ist, Menschen dazu zu gewinnen, zu singen oder ein Blasinstrument zu spielen.“ In den vergangen Monaten sei es zunehmend schwierig geworden, Kontakt zu Chören und Musizierenden zu halten, bilanzierte Kuschnerus in seinem Bericht vor den mehr als 150 Delegierten des Kirchenparlamentes. „Hinzu kommt, dass sowohl das Singen als auch das Spielen eines Blasinstrumentes als besonders ansteckend und gefährlich angesehen werden.“ Zurzeit sei das Singen in den Gottesdiensten verboten, egal, ob im Freien oder im Raum. Auch Blasinstrumente dürften nicht gespielt werden.
Trotzdem gab sich Kuschnerus optimistisch. Im vergangenen Jahr sei in der Kirchenmusik bereits viel Kreativität freigesetzt worden, um die Arbeit fortführen zu können: „Ob Proben im Freien, digital oder in kleinen Gruppen, ob Ein-Personen-Konzerte oder Posaunenchöre im Außengelände des Altenheims. Kleine Ensembles musizierten in Gottesdiensten. Vieles wurde neu erfunden.“ Nun hätten Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker bereits damit begonnen, sich erste Gedanken für eine Kampagne zu machen, um Menschen zum Musizieren und Singen in die Kirche einzuladen.
Vor Corona gab es 2019 in der Bremischen Evangelischen Kirche eigenen Angaben zufolge 477 kirchenmusikalische Veranstaltungen mit knapp 52.000 Besuchern. In 75 Kirchenchören engagierten sich knapp 1.900 Sängerinnen und Sänger. Außerdem gab es 27 Posaunenchöre mit fast 340 Bläsern, 26 Instrumentalkreise mit mehr als 200 Musikern sowie 52 Chöre und Instrumentalgruppen mit rund 830 Kindern und Jugendlichen. In der Bremischen Evangelischen Kirche gibt es 61 Gemeinden mit rund 175.000 Mitgliedern.