Coburger Moritzkirche
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Ein festlicher Gottesdienst in der Coburger Moritzkirche, in der schon Reformator Martin Luther predigte, feierte damals den Beitritt der Coburger Protestanten zur bayerischen Landeskirche.
Wie die Coburger "Heiden" nach Bayern kamen
Fusion mit evangelischer Landeskirche vor 100 Jahren
Vor 100 Jahren schlossen sich die Coburger Protestanten der bayerischen Landeskirche an. Diese Entscheidung stieß damals auch auf Widerstände, denn damit gaben die Coburger auch ihre kirchliche Selbstständigkeit auf.
11.04.2021
epd
Michael Götz und Rainer Axmann

Zu einem außergewöhnlichen Gottesdienst versammelten sich die Evangelischen am 10. April vor 100 Jahren in der Coburger Morizkirche. Anlass für den festlichen Gottesdienst in dem historischen Gotteshaus, in der schon Reformator Martin Luther predigte, war der Beitritt der Coburger Protestanten zur bayerischen Landeskirche. Damit wurde nach fast 400 Jahren aus der bisher selbstständigen Coburger Landeskirche ein Dekanat der "Evangelisch-Lutherische Landeskirchen in Bayern rechts des Rheins", dem Vorläufer der heutigen Landeskirche.

 

Grundlage für diese Kirchenfusion war eine Entscheidung der Coburger Bevölkerung bei der staatlichen Neuordnung nach dem Ersten Weltkrieg. Am 30. November 1919 votierten über 88 Prozent gegen einen Beitritt zum "Gemeinschaftsvertrag der Thüringer Staaten" und wollten sich stattdessen dem Freistaat Bayern anschließen. Am 1. April 1921 vollzogen auch die Evangelischen diesen Schritt und traten in die Landeskirche ein. Der Vertrag war zwischen April 1920 und Januar 1921 in mehreren Gesprächen und Sitzungen vor allem in München erarbeitet worden. Am 10. Januar 1921 nahm ihn die Coburger Landessynode auf ihrer fünften und letzten Sitzung ohne Gegenstimme unverändert an.

Der Zusammenschluss mit Bayern brachte die kirchlich Verantwortlichen in eine Zwickmühle. Curt Weiß, der spätere zweite Coburger Dekan, brachte es auf den Punkt: "Wir sind von unserem Volk verlassen, wenn wir uns nach Thüringen wenden." Andererseits stellte Georg Kükenthal (1864 - 1955), zum letzten Generalsuperintendenten gewählt, sachlich fest, dass "unsere gesamte Geisteskultur mindestens seit der Reformation durchaus von Thüringen her beeinflusst und befruchtet worden ist. Daraus erhellt, eine wie schwere Gewissensfrage es für alle ist, die zu Hütern und Pflegern kultureller Güter berufen sind, sich vom Mutterland der Reformation zu lösen." Von eben daher war um 1920 auch noch die Mehrzahl der evangelischen Pfarrer geprägt.

Der damalige Ratsvorsitzende der EKD, der Berliner Bischof Martin Kruse, hielt beim Abschlussgottesdienst der ersten gesamtdeutschen Synode der EKD in der Coburger St. Morizkirche am 30.6.1991 die Predigt.

Die meisten Coburger Geistlichen hatten im thüringischen Jena studiert und waren sehr liberal geprägt. Deshalb stieß der Anschluss an die bayerische Landeskirche bei der Coburger Pfarrerschaft auf Widerstände. Sie fürchteten um ihre Freiheit. Denn im Lauf der Jahre hatten sich in Coburg eigene Abläufe bei Gottesdiensten herausgebildet. Das "Vaterunser" reichte als Taufbekenntnis aus; das Apostolische Glaubensbekenntnis war nicht vonnöten. Das Abendmahl wurde nur selten gefeiert, und die Trauung Geschiedener war in das seelsorgerische Ermessen des einzelnen Geistlichen gestellt. Für Bayern noch über Jahrzehnte hinweg unvorstellbar. Die Coburger waren deshalb in Bayern als "Heidenland" verschrien, und der Kontakt von bayerischen zu Coburger Pfarrern war nicht gerngesehen. Es gab viele unterschiedliche Auffassungen und Reibungspunkte. Die meisten theologischen Fragen wurden im Sinne der bayerischen Landeskirche gelöst.

Die geschichtliche Entwicklung der Coburger Landeskirche geht bis zur Zeit der Reformation zurück. Damals hatte sich im Fürstentum Sachsen-Coburg eine evangelische Landeskirche herausgebildet. Bis zur Reformation war der Fürstbischof von Würzburg das kirchliche Oberhaupt seines Landkapitels Coburg gewesen. Mit der Reformation wurde der jeweilige evangelische Landesherr eine Art "Ersatzbischof". Für die kirchliche Leitung war ein Superintendent zuständig.

Dieses Konstrukt sollte bis zum Ende der Monarchie bleiben. Mit deren Ende im Jahr 1918 verlor die Coburger Landeskirche allerdings auch ihren bisherigen "obersten Bischof" und wurde zu einer eigenständigen, nicht mehr an den Staat gebundenen Kirche. Eine eigene Verfassung musste geschaffen werden. Die gesetzgebende Versammlung wurde die Landessynode. Deren Wahlordnung orientierte sich an der Weimarer Verfassung. Somit konnten bereits Frauen in die Synode gewählt werden, was in Bayern noch bis die 1950er Jahre dauerte. Die wichtigste Aufgabe der Coburger Landessynode war, über die Zukunft der Coburger Landeskirche zu entscheiden. Eigenständig konnte sie aus finanziellen Mittel nicht bleiben, zumal sie kaum über eigene Mittel verfügte und auch keinerlei Kirchensteuern erhoben wurden.

Heute umfasst das Dekanat Coburg 51 Gemeinden, in denen mehr als 70.000 evangelische Christen leben.