Der Geografieprofessor und Experte für Dorfentwicklung, Gerhard Henkel, kritisiert den Trend zu Gemeindefusionen in den beiden großen Kirchen. Dadurch gebe es immer weniger dörfliche Kirchengemeinden, schreibt Henkel in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Samstagsausgabe): "Die Auswirkungen sind dramatisch." Es drohe die "Auflösung der Volkskirche in der Fläche. Amtskirche beseitigt Volkskirche."
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"Durch die Beseitigung gerade der dörflichen Kirchengemeinden wird das Vertrauen der Menschen in die Kirche weiter erschüttert", beklagt Henkel. "Die Fusionen beschleunigen die Flucht selbst der Treuen aus der Kirche." Katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen lösten die lokale Basis der Kirche auf. "Sie stoßen mit ihrem Zentralismus die Gläubigen in den Dörfern vor den Kopf." Auf Einwände von Landpfarrern werde nicht reagiert.
Die kirchlichen Gemeindefusionen wiederholen nach den Worten Henkels die "gravierenden Fehler" der kommunalen Gebietsreformen der zurückliegenden Jahrzehnte in einigen Bundesländern. Dort seien ungefähr 400.000 ehrenamtlich tätige Bürger aus den Gemeindeparlamenten wegrationalisiert worden, was zu Desinteresse an der Kommunalpolitik geführt habe. Vergleichbare Konsequenzen drohten nun den Kirchen: "Hunderttausende gewählte und ehrenamtlich tätige Christen würden durch den Wegfall der lokalen Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände nicht mehr gebraucht."
Henkel räumt indes ein, dass eine organisatorische Vernetzung von Kirchengemeinden sinnvoll sei, um die Verwaltungsarbeit zu reduzieren. "Aber man brauch dazu keine Fusionen." Als Alternative biete sich die Verbandsgemeinde an. "Diese schafft eine starke zentrale Organisation und Verwaltung und belässt den zugehörigen Ortsgemeinden ihre Autonomie, ihr lokales Verantworten und Handeln."