Martin Haug tritt in große Fußstapfen, als er 1948 das Bischofsamt in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg übernimmt. Sein Vorgänger Theophil Wurm hat die Kirche durch die schwierige Zeit des Nationalsozialismus navigiert, dabei Kompromisse gemacht, aber gleichzeitig ihre Unabhängigkeit verteidigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hilft Wurm in Württemberg und deutschlandweit beim Neustart der evangelischen Kirche. Haug, der am 14. Dezember vor 125 Jahren geboren wurde, kann darauf als Nachfolger aufbauen.
Martin Haug wächst im pietistischen Nordschwarzwald in Calw auf, durchläuft die evangelischen Seminare Maulbronn und Blaubeuren sowie im Theologiestudium das Stift in Tübingen. Im Ersten Weltkrieg muss er als Soldat kämpfen und wird 1916 in der Schlacht an der Somme schwer verwundet.
Sein erstes Pfarramt versieht er in Tübingen, 1930 wechselt er als Lehrer ans Seminar in Urach. Fünf Jahre später beruft ihn die Landeskirche zum Leiter des Pfarrseminars - da sind die Nazis bereits an der Macht, und Haug begleitet die nachfolgende Pfarrergeneration auf ihrem Weg ins Amt. Mitten im Zweiten Weltkrieg holt ihn die Kirchenleitung nach Stuttgart, wo er als Personalreferent unter anderem für die Besetzung der Pfarrstellen zuständig ist. 1946 wird er Regionalbischof (Prälat) und Stellvertreter des Landesbischofs.
Zerstörung des Krieges herausfordernd
Theophil Wurm gibt 1948 mit 80 Jahren sein Bischofsamt auf. Der Landeskirchentag - Vorgänger der Landessynode - wählt Haug zum Nachfolger. Herausfordernd für die Kirchenleitung sind die Zerstörungen des Kriegs. Gotteshäuser müssen neu gebaut werden, ebenso Pfarr- und Gemeindehäuser - weshalb Haug bisweilen als "Baubischof" bezeichnet wird. Zur Rückkehr in die weltweite Ökumene braucht es zudem internationales Engagement. Haug reist 1957 zur Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in die USA, besucht außerdem in seiner Amtszeit Südindien und Südafrika.
Nach dem Krieg muss die Kirche ihre Finanzierung neu regeln. Seit 1924 gilt die Kirchensteuer - und Haug will sie weghaben. Sie produziere unter den Mitgliedern ein "bloßes Mitläufertum", während die Kirche zu einem "bewussten Christentum" erziehen müsse. Seine Befürchtung: "Es könnte nämlich sonst dahin kommen, dass wir wohl einmal das Geld haben, aber nicht die Menschen, die mit diesem Geld dem Evangelium dienen." Dass sich der Landeskirchentag dann doch für die Kirchensteuer entscheidet, betrachtet der Bischof als persönliche Niederlage.
Haug erfindet das FSJ-Modell
Haug verwaltet nicht nur, er gestaltet auch. Im Juli 1957 startet er einen Aufruf an junge Menschen, freiwillig ein soziales Jahr zu absolvieren. Dem Appell folgen 80 junge Frauen und Männer mit einem Einsatz in Heimen, Kliniken und in der Altenpflege. Das Modell setzt sich durch - heute hat alleine die Diakonie in Württemberg rund 1.800 FSJler unter Vertrag.
Zu den skurrilen Ereignissen seiner Zeit gehört der Streit um Pfarrer Reinhold Baumann in Möttlingen (Kreis Calw). Dieser ist zu der gänzlich unprotestantischen Überzeugung gelangt, dass das Papstamt von Christus selbst eingesetzt und deshalb auch für Evangelische verbindlich sei. Zuerst braucht es für den Umgang mit Baumann eine "Lehrzuchtordnung", danach unter Beteiligung des Bischofs einen Prozess - an dessen Ende der allzu katholisch erscheinende evangelische Pfarrer aus dem Amt entlassen wird.
Haug vertritt Württemberg auch im Rat der EKD - sogar über seine 1962 endende Bischofszeit hinaus bis 1966. Seinen Ruhestand verbringt er wiederum im Nordschwarzwald, in Freudenstadt. Er nimmt am kirchlichen Leben weiterhin rege teil, predigt, schreibt Bücher und Aufsätze. Am 28. März 1983 stirbt er.