Johann Amos Comenius
© epd-bild / Meike Böschemeyer
Viele Schulen sind nach dem Reformpädagogen Johann Amos Comenius benannt, wie dieses Gymnasium in Bonn.
Wie Reformpädagoge Comenius das Bilderbuch erfand
Gedenken an seinen Todestag vor 350 Jahren
Der Universalgelehrte, Pfarrer und Reformpädagoge Johann Amos Comenius träumte vor über 350 Jahren von toleranten Christen und einer gerechten Welt. Heute sind in ganz Deutschland Schulen nach ihm benannt.
15.11.2020
epd
Christian Feldmann

Der tschechische Reformpädagoge und Theologe Johann Amos Comenius (1592-1670) kam ohne Prügel aus und lehnte die damals übliche Schulzucht als "Geistesfolter" ab. "Meine Methode", verkündete er, "zielt darauf ab, dass die Tretmühle Schule in Spiel und Vergnügen verwandelt wird. Sein Werk "Orbis sensualium pictus" gilt heute als erstes Bilderbuch. In ihm standen Bilder, deutsche und lateinische Wörter sowie Erläuterungen nebeneinander, auch Goethe lernte daraus.

Die moderne Erziehungswissenschaft verdankt Comenius das Bemühen um bildungspolitische Chancengleichheit, aber auch die Hochschätzung der eigenen Vernunft und den hohen Stellenwert der Anschauung im Unterricht: "Die Menschen müssen so viel wie möglich ihre Weisheit nicht aus Büchern schöpfen, sondern aus Himmel und Erde, aus Eichen und Buchen", schrieb er. Comenius starb vor 350 Jahren, am 15. November 1670 in Amsterdam. Heute sind in Deutschland Straßen und Schulen nach ihm benannt, die Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft in Münster heißt Comenius-Institut.

Doch der Schulrektor und Pfarrer Comenius wollte mehr sein als ein pädagogischer Vordenker. Er gehörte zu den letzten Universalgelehrten; mit mehr als 250 Schriften nahm er am Diskurs der Wissenschaft teil.

Comenius erinnerte an die Verantwortung des Menschen für die Natur und verlangte ethische Grundsätze für die Forschung. Als leidenschaftlicher Kriegsgegner legte er konkrete Vorschläge für ein Weltfriedensgericht vor. Mitten im Zeitalter der Religionskriege vertrat er hartnäckig die Überzeugung, dass konfessionelle Streitigkeiten die christliche Botschaft um ihre Glaubwürdigkeit brächten - und dass es ein Wahnsinn sei, wegen vermeintlicher Glaubensinhalte einander die Köpfe einzuschlagen: "Was ist eine Religion in Waffen?"

Porträt von Johann Amos Comenius, dessen tschechischer Name Jan Komensky war.

Statt Bruderkriege zu führen, stehe es den Christen gut an, tolerant und liebevoll miteinander umzugehen, "damit wir nicht denjenigen, den wir nicht in allem bessern können, gleich verleumden, verketzern, verurteilen, aus der Kirche ausweisen, sondern als Schwachen im Glauben aufnehmen, im Wissen, dass jeder seinem Herrn steht und fällt."

Die Eltern des 1592 in einem mährischen Dorf geborenen Jan Komensky - später nannte er sich als guter Humanist auf Lateinisch Comenius - gehörten zur Gemeinde der bibelfesten, aber toleranten Böhmischen Brüder. Seine Kindheit endete früh, als die Eltern kurz nacheinander starben und eine marodierende Soldateska das Dorf niederbrannte. Mit Unterstützung der Brüdergemeinde studierte er dennoch in Heidelberg und Herborn Theologie und Philosophie.

Die "Hohe Schule" im westhessischen Herborn war einst eine der bedeutendsten calvinistischen Hochschulen in Europa und bot die klassischen Fächer einer Universität: Theologie, Philosophie, Jura und Medizin. Ihr berühmtester Schüler, der Begründer der neuzeitlichen Erziehungslehre und spätere Bischof der Böhmischen Brüder, Johann Amos Comenius. Er ist in einer Bronzebüste neben dem Eingang verewigt.

Doch der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) ließ ihn nicht aus den Klauen: Komenskys Haus wurde geplündert, seine Bücher verbrannt. Er floh ins böhmisch-polnische Grenzland - das Ganze wiederholte sich: Söldnertruppen zerstörten sein Domizil, seine Bibliothek, die Manuskripte für den Tschechischen Sprachschatz, an dem er 44 Jahre lang gearbeitet hatte.

Zweimal wurde er Witwer, die katholische Liga verfolgte den ökumenisch gesinnten Protestanten per Haftbefehl - und er schrieb Bücher, tapfere und traurige: "Über das Verwaistsein" und "Das Labyrinth der Welt".

Ruf nach inklusivem Schulsystem 

Außerdem verfasste er ein Bibelverzeichnis, eine Gesamtdarstellung der Physik und Standardwerke zur Schulreform. Comenius plädierte für behutsame Hilfe bei der Entfaltung der natürlichen Anlagen, für die individuelle Förderung jedes Kindes und ein Schulsystem, das keinen ausschließen dürfe.

Zum leitenden Bischof der Brüdergemeinde gewählt, forderte er eine vernünftige Einigung unter den verfeindeten protestantischen Fraktionen, aber auch eine humane internationale Politik unter Verzicht auf Eroberungsgelüste und Hochrüstung: "Gebt der Religion Freiheit, gewährt Zugang zu Staatsverwaltung und Gerichten, rüstet ab, senkt die Steuern, verbilligt den Lebensunterhalt, mehrt Schulen aller Art, und dann zweifelt nicht daran, dass das goldene Zeitalter der Erde zurückkommen wird."

Wunsch nach ökumenischem Konzil

Das Organisationstalent Comenius entwarf detaillierte Pläne für einen internationalen Friedensgerichtshof, der Konflikte auf friedlichem Weg lösen und die Rechtsprechung in den einzelnen Ländern überwachen sollte. Die Kirchen hätten bei einer solchen Entwicklung mit gutem Beispiel voranzugehen: Comenius wünschte sich ein ökumenisches Konzil unter Beteiligung von Philosophen und Politikern.

Als sich 1948 der Ökumenische Rat der Kirchen konstituierte und in Rom das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) die Christen aller Bekenntnisse zur Zusammenarbeit im Interesse einer friedlichen, gerechten Welt ermunterte, da war der Vordenker Comenius schon fast drei Jahrhunderte tot.