Vikar Maximilian Baden (31) soll den Witwer spielen und tritt rechts an das fiktive Sterbebett. Die Kollegin neben ihm mimt die trauernde Tochter, und der Kollege gegenüber stellt den Pastor dar. Mit einem Rollenspiel üben die angehenden Pastoren im niedersächsischen Loccum, was bei der "Aussegnung" eines gerade gestorbenen Menschen zu Hause oder im Krankenhaus zu beachten ist - ein Ritual, das in vielen Gegenden verbreitet ist. "Wir begeben uns in die Rollen hinein", sagt Baden. So wollen sie herausfinden, was den Trauernden gut tut. "Wir fanden es alle toll, ein kleines Kerzenritual einzubinden." Die Einheit gehört zu einem Kurs des Predigerseminars im Kloster Loccum bei Nienburg - einer Einrichtung, die in diesen Tagen auf eine reiche Geschichte zurückblickt.
Seit 200 Jahren werden in den altehrwürdigen Mauern zwischen Weser und Steinhuder Meer künftige evangelische Pastorinnen und Pastoren nach ihrem Studium fit für ihren künftigen Beruf gemacht. Am 20. November 1820 hielt der damalige Studiendirektor Friedrich Burchardt Köster (1792-1878) die Eröffnungsrede. Zwar hatten bereits seit dem 17. Jahrhundert immer wieder Vikare für eine bestimmte Zeit in Loccum gelebt, um den Konvent des evangelisch gewordenen Klosters zu unterstützen. Doch erst ab 1792 wurde dort systematisch über deren Ausbildung nachgedacht.
Stabile Teilnehmerzahlen
"Es war eine Zeit massiver Umbrüche", erläutert die heutige Studiendirektorin Adelheid Ruck-Schröder (54). "Das Zeitalter der Moderne hatte begonnen." Heute ist die Ausbildung der Vikarinnen und Vikare die zentrale Aufgabe im Kloster. Um ihnen bessere Lernbedingungen bieten zu können, lässt die hannoversche Landeskirche die historische Anlage bis 2021 für 33 Millionen Euro grundlegend sanieren und erweitern.
Bundesweit gibt es zehn solcher Predigerseminare mit rund 900 Vikarinnen und Vikaren - die Teilnehmerzahlen sind nach Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach einem Rückgang im vergangenen Jahrzehnt inzwischen wieder weitgehend stabil. Alle der rund 21.000 evangelischen Pastorinnen und Pastoren, die heute in Deutschland tätig sind, haben ein solches Seminar durchlaufen. Mit 125 Vikarinnen und Vikaren aus Niedersachsen und Bremen gehört das Kloster Loccum bundesweit zu den größten und ältesten Ausbildungsstätten.
Beruf im Umbruch
Maximilian Baden schätzt an den Kursen vor allem, dass er dort vieles ganz praktisch ausprobieren kann. Es gibt ein Sprachtraining, ein Auftrittstraining mit einem Schauspieler, einen Schreibworkshop und Hinweise für Seelsorge und Gemeindeleitung. "Das kann man nicht aus Büchern lernen."
Die Tipps aus Loccum kann Baden in seiner Vikariatsgemeinde in Celle gleich umsetzen. Denn die zweieinhalbjährige Ausbildung der Nachwuchstheologen ist dual ausgerichtet: Die eine Hälfte der Zeit verbringen sie in einer Ortsgemeinde, die andere im Seminar, wo jeder und jede ein Zimmer hat. Hier reflektieren sie ihre unterschiedlichen Erfahrungen. "Ich finde es wichtig, dass wir hier sehr vertrauensvoll miteinander arbeiten", sagt Baden. "Kritik und Anregungen nimmt man eher von Freunden an als von Dozenten."
Studiendirektorin Ruck-Schröder freut sich, dass nach wie vor so viele junge Menschen sich für den Pfarrberuf entscheiden. Denn wie zur Gründungszeit des Predigerseminars sei der Beruf auch gegenwärtig im Umbruch: "Pfarrer sind heute nicht mehr selbstverständliche Amtsträger. Sie sind vielmehr Brückenpfeiler von Christentum und Religion in die Gesellschaft hinein. Sie müssen hinausgehen aus ihrem Pfarrhaus und Verbindungen schaffen."
Der Pastor von morgen müsse Tradition und Experimentierfreude miteinander verbinden können, betont die Theologin: "Man muss sich souverän auf dem klassischen Parkett des pfarramtlichen Handwerks bewegen können. Und man muss zugleich in der Lage sein, je nach Situation neue Wege zu finden."
In ihrem Rollenspiel tüfteln die Loccumer Vikare unterdessen weiter an ihrem Aussegnungsritual. Wo soll der Pastor stehen, damit alle das Segenszeichen sehen können? Und wann zündet er die Kerze an? Maximilian Baden rät davon ab, den Trauernden eine Kerze direkt in die Hand zu geben. "Das Problem ist das Zittern." Die Kerze muss deshalb auf einer festen Unterlage stehen. "Solche Sachen fallen einem erst beim Tun auf."