In der vergangenen Woche hat evangelisch.de die Aussage des EKKW-Prälaten Burkhard zur Nieden in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über die mögliche Abschaffung des Beamtenstatus als Post über Social Media verbreitet. Die Reaktionen darauf sind vielfältig. Wir haben einige der häufiger auftauchenden Pro- und Contra-Argumente unserer User:innen von Facebook und Instagram zusammengefasst:
Die Befürworter:innen verteidigen den Beamtenstatus, da er für die Kirche eine besondere Form des Dienst- und Treueverhältnisses darstellt und eine gewisse finanzielle Sicherheit für die Pfarrer:innen gewährleistet. Einschließlich einer höheren Pension im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung und der finanziellen Beihilfe für anfallende Gesundheitskosten. Dies, so schreibt beispielsweise Stadtkirchebb, sei von Bedeutung: "Ich nehme hier jetzt mal die Perspektive derer ein, die sich bisher mit einem relativ bescheidenen Gehalt (verglichen an anderen Berufen mit einem ähnlich langen und intensiven Studium) zufrieden geben, weil sie ja wissen, dass sie durch den Beamtenstatus abgesichert sind."
Luke_heavenwaler schreibt in einem Chat mit Andreflimm: "Das besondere Dienst- und Treueverhältnis passt vielleicht auf die Kirche wesentlich besser als auf den Staat. Nicht wegen der institutionellen Versorgungslogik und einer immer gegebenen Verfügbarkeit der Angebote. Sondern wegen dem Charakter einer beidseitigen lebenslangen Verpflichtung des gegenseitigen (hauptamtlichen) Dienstes. Damit einher geht ja nicht nur eine besondere Versorgung in dem Fall, in dem diese Treue eingehalten wird. Sondern ja auch die Einwilligung, bei einer späteren Widerrufung entsprechende Nachteile in Kauf zu nehmen. Und die besondere Verpflichtung auf bestimmte ethische Grundlagen, die (anders als beim Angestelltenverhältnis!) ja auch zu einem Entzug der Pension führen können."
"Wenn es die Verbeamtung nicht gäbe, ich wäre heute mit Sicherheit kein Pfarrer."
Manu Fettha ergänzt es aus der persönlichen Perspektive: "Wenn es die Verbeamtung nicht gäbe, ich wäre heute mit Sicherheit kein Pfarrer. Und das hat nichts mit überkommenem Strukturdenken zu tun. Der Status spiegelt nicht nur adäquat das wider, was unseren Beruf ausmacht, nämlich das 'besondere Dienst- und Treueverhältnis' einer Institution gegenüber, die lebendig Glaube zu vermitteln versucht, sondern es zeigt auch, dass ich mich dauerhaft auf meine Aufgabe und Berufung konzentrieren kann, ohne Sorgen haben zu müssen, aufgrund veränderter markt- und arbeitspolitischer Situationen in 'andere' Bereiche gedrängt zu werden."
Als weiteres Argument führen die Befürworter:innen auf, dass die Verbeamtung Pfarrpersonen mehr Flexibilität ermöglicht, da sie nicht an feste Arbeitszeiten gebunden sind und jederzeit für Gemeindemitglieder erreichbar sein können. Thomas-Alex Richter: "Für mich sind Pfarrer vor allem deshalb Beamte, weil sie zeitlich schlecht in ein Arbeitszeitkorsett passen und am Ende mit ihrer ganzen Person und jenseits fester Arbeitszeiten für die Menschen da sind. Auch wenn es natürlich eine Grenze des Leistbaren gibt. Sofern aber, wie zuletzt, versucht wird, die Vorteile des Angestellten Daseins mit den Annehmlichkeiten des Beamtenstatus zu kombinieren, muss man sich für eines entscheiden. Vielleicht gehört in eine solche Diskussion auch die Unterschiedlichkeit der Pfarrämter rein, z.B. für Funktionspfarrer wäre der Angestelltenstatus für mich nachvollziehbarer." Auch für Luke_heavenwalker spielt die Flexibilität eine Rolle, aber aus einer anderen Sicht: "Mich stört, wie hier die Flexibilität vorgeschoben wird. Wer Flexibilität will, kann schon heute problemlos im Angestelltenverhältnis Pfarrerin oder Pfarrer sein. Man zahlt dann seine Flexibilität mit einem gewissen Maß an finanzieller Sicherheit, hat so aber die Chance, sich in anderen Berufsfeldern auch umzuschauen, die ggf. auch mehr Bezahlung versprechen. Fair!"
Keine Beamt:innen, keine neuen Pfarrer:innen?
Einige User:innen befürchten darüber hinaus, dass die Abschaffung des Beamtenstatus zu einem weiteren Rückgang des ohnehin schon knappen Pfarrnachwuchses führen könnte. Marv_hanisch kommentiert beispielsweise: "Wenn wir nur nach Tarif zahlen, ohne Privilegien zu bieten, lohnt sich der Job finanziell einfach nicht – er tut es finanziell ja mit Beamtenstatus schon kaum. Es wird mit einem Statuswechsel des Pfarrberufs nicht mehr zu halten sein, sondern es wird doppelt so viel (an Menschen) wegbrechen."
"Die evangelische Kirche hat kaum noch Nachwuchs. Anstelle zu klären, was an diesem Beruf attraktiv ist und damit offensiv zu werden, werden viele unausgegorene Ideen in die öffentliche Diskussion gebracht. Das bringt niemanden dazu, Theologie zu studieren", meint Manfred Werner dazu.
Die finanzielle Situation der Kirche beschäftigte ebenfalls etliche aus der Community. So schreibt Pegasoreise: "Wir können nicht einen immer größeren Teil unserer Finanzen für Pensionsgelder ausgeben, während wir gleichzeitig weniger Geld einnehmen. Unsere Kirche muss flexibler, sparsamer und solidarischer werden."
Für eine Abschaffung des Beamtenstatus führen einige der Kommentierenden auch die Ungleichheit gegenüber anderen kirchlichen Berufsgruppen an. So schreibt Considering.ravens beispielsweise: "Den Solidaritätsgedanken finde ich hier auch wichtig. Auch mit dem Rest der arbeitenden Bevölkerung. Warum ausgerechnet in Fragen von Gesundheits- und Altersvorsorge die Hirten so viel besser gestellt werden sollen als ihre Schäfchen, hat mir noch nie eingeleuchtet." Auch gottcaster beschäftigt diese Frage: "Wir haben in Westfalen z.B. Interprofessionelle Pastoralteams 'erfunden'. Der Gedanke war mal, verschiedene Professionen Gemeindearbeit machen zu lassen, verankert aus der Pfarrbesoldung. In der Praxis wird oft zugesehen, dass pastorale Dienste überhaupt noch wahrgenommen werden können. Mit der jeweiligen Zurüstung von verschiedenen Berufsgruppen. Ergo verschwimmt das Pfarrbild bzw. löst sich auf. Lohngerechtigkeit (gleich Lohn für gleiche Arbeit)? Gibt’s nicht. Daher bin ich sehr für die große Systemfrage."
Ein ganz anderes Argument zur Abschaffung des Beamtentums bringt Dagmar Naumann in die Debatte: "Wahrscheinlich (ist eine Abschaffung) überfällig, denn die Pfarrer und Pfarrerinnen genießen im beamtenähnlichen Status relativ wenig arbeitsrechtlichen Schutz. Das betrifft die Arbeitszeit, die Weisungsrechte des Dienstvorgesetzten, die Zulassungsprüfung am Ende des Vikariats und eventuell noch weiteres. Haben Pfarrer/ innen eine eigene Personalvertretung? Haben sie ein Streikrecht? Können aber umgekehrt auch Pfarrer gekündigt werden, wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, ihre Arbeit nur zu einem Minimum machen und sich als - aus welchem Grund auch immer - ungeeignet (zeigen)."
Doch auch theologische Überlegungen spielten auf den Social-Media-Kanälen in dieser Debatte eine Rolle: Gerd Lübbers kommentiert: "Jesus war auch nicht verbeamtet" und wird von Volker Erbacher gekontert: "Jesus war aber auch nicht angestellt" Für einige Kommentierenden bleibt die Rolle der Pfarrperson aber besonders und wird mehr als Berufung denn als Beruf betrachtet. Uta Reuter: "Vermutlich (ist es eine Berufung). Aber das betrifft keineswegs nur Geistliche, sondern alle, die Ihrem Beruf als Berufung verstehen: Sozialarbeiter, Erzieher, Ärzte, Verkäufer, denen es um Kunden und nicht nur den eigenen Gewinn geht, Krankenpfleger, Künstler, ... sie können wirklich jeden Beruf nehmen. Aber deshalb werden Sie nicht verbeamtet."
Andreflimm kommentiert zur allgemeinen Debattenführung: "Eine ehrlichere Kommunikation wäre wünschenswert. Mir fehlen da wie so oft bei Strukturfragen die theologischen Überlegungen. Was spricht aus theologischen Gründen für das eine, was für das andere? Für mich persönlich lebt Kirche vom Begeisterten, Spontanen und Kreativen, nicht von Rundverfügungen, aufgeblähten Ämtern bis ins letzte abgesicherten Pfarrpersonen. "