Sabine Stracke
privat
Sabine Stracke in der Anfangszeit ihres Studiums zur Pfarrerin. Mittlerweile übt sie in Teilzeit die Stelle einer Gemeindepädagogin aus, neben dem Vikariat in der Nachbargemeinde Pelkum-Wiescherhöfen.
Serie: Quereinstieg ins Pfarramt
Eine Katholikin wird evangelische Pfarrerin
Sabine Stracke (56) lange katholisch und im Gemeindeleben engagiert - bis sie sich entschloss, zum Protestantismus zu konvertieren und Pfarrerin zu werden. Derzeit absolviert sie in Hamm ihr Vikariat und hat sich als Pfarrerin einiges vorgenommen.

Sabine Stracke wuchs katholisch im Sauerland auf. Es gehörte zu ihrem Leben dazu, sich in der Kirche zu engagieren. "Ich bin wirklich in der katholischen Kirche groß geworden, gestaltete Gottesdienste, machte Jugendarbeit, Zeltlager, Jugendgottesdienste und viel kirchliche Popmusik. Sakropop nannten wir das." Dass die Arbeit mit der katholischen Jugend auch später einmal ihr Beruf sein würde, das war ihr großer Wunsch. Nach der Schulzeit dachte sie intensiv über die Möglichkeit des Beginns eines Studiums der Theologie nach. Doch dazu sollte es erst einmal nicht kommen.

Stracke sah die Wirkungsmöglichkeiten einer Frau mit Theologiestudium in der katholischen Kirche als zu begrenzt. Sie entschied sich für eine Banklehre, "weil ich nicht so genau wusste, was ich wollte". Mit 31 wurde sie Mutter und begann nach zehn Jahren Arbeit in der Bank in ihrer Elternzeit das Studium der Sozialpädagogik. "Ich habe nach dem Studium in der Jugendhilfe für die AWO und für einen diakonischen Träger gearbeitet", erzählt Stracke. Sie baute einen Pflegekinderdienst auf, betreute vier stationäre Wohngruppen als Fachbereichsleiterin und arbeitete danach als pädagogische Geschäftsführung mit ungefähr 100 Mitarbeitenden und 60 Kindern und Jugendlichen, die untergebracht waren. "Das war schon eine sehr herausfordernde Zeit, weil es auch oft darum ging: Können die Kinder und Jugendliche zu Hause leben oder nicht? Es ging um schwierige Familienverhältnisse und all das, was damit zu tun hat." 17 Jahre widmete sie sich mit Herzblut ihrer Aufgabe. 

Die Konfession wurde währenddessen immer stärker ein Thema. "Ich habe lange Zeit in der katholischen Kirche versucht, etwas zu verändern." Sie wollte sich als Frau einbringen und fragte sich: Wer wird eigentlich Priester? Was ist mit dem Zölibat? "Damals gab es eine Bewegung, die hieß ‚Kirche von unten‘. Wir sind auf die Straße gegangen, haben Unterschriften gesammelt für mehr Weiblichkeit in der Kirche." 

"Frauen dürfen hier erst mal tun. Sie können auch Pfarrerinnen werden"

"Irgendwann merkte ich, dass ich damit nicht ankomme." Ein weiteres, entscheidendes Erlebnis war das Leben in Ostwestfalen, "wo man sehr evangelisch unterwegs ist". Hier erlebte sie eine neue Gemeinde, "in der Menschen mitmachen können und nicht irgendein Pfarrer sagt, wo es langgeht". In der Offenheit dieser Gemeinde fand sie ein neues Zuhause im Glauben. "Das Vertrauen, mich da mitmachen zu lassen und mich zu akzeptieren", das gefiel ihr und war etwas Neues. "Wenn man gewohnt ist, in einer Leitungsposition selbstständig zu arbeiten und zu denken und das dann oft nicht gewollt ist" – damit wollte sie sich nicht abfinden. Ihr Sohn, heute 24 Jahre alt, wurde noch katholisch getauft. "Bei seiner Kommunion war ganz klar, dass der Pastor sagt, wo es langgeht." 

In der evangelischen Kirche dagegen zog sie die andere Struktur an. "Frauen dürfen hier erst mal tun. Sie können auch Pfarrerinnen werden." Sie sei keine Feministin, habe aber als Frau genauso etwas zu sagen wie ein Mann. Sie entschied sich, zum Protestantismus zu konvertieren. "Mein Hauptgrund waren die Menschen, die Gemeinschaft, das Aufgehobensein in der Gemeinde." Als sie davon hörte, dass die Kirchliche Hochschule Wuppertal einen Masterstudiengang für einen Quereinstieg ins Pfarramt konzipierte, sah sie die Möglichkeit der Verwirklichung ihres Jugendtraums.

Erst einmal ging sie zu zu ihrer Landeskirche, zur Evangelischen Kirche von Westfalen. "Ich fragte, ob das in meinem Alter überhaupt noch Sinn macht. Die haben mir Mut gemacht." Vor den wirtschaftlichen Konsequenzen hatte sie Respekt. "Mir war klar, dass ich meinen Job nicht weiter ausüben könnte. Wenn ich dieses Studium mache, dann kann ich nicht gleichzeitig Geschäftsführerin einer diakonischen Einrichtung sein." Um zum Studium zugelassen zu werden, musste sie sich in Bereichen wie Bibelkunde prüfen lassen, ein Essay schreiben und einen mündlichen Test hinter sich bringen. Sie bestand und kündigte ihren Job. "Ich musste zwar nicht am Hungertuch nagen. Aber mir war immer klar, dass ich privat ein Stück zurückschrauben muss."

"Das war eine Riesenherausforderung und ging nur in einer tollen, sich gegenseitig unterstützenden Gruppe von Studierenden"

Anfangs hatte sie in ihrem Kirchenkreis in Herford eine halbe Stelle als Gemeindepädagogin. Doch dann merkte sie: "Ich wollte mehr Vorlesungen hören, nicht nur einmal im Monat ein Wochenende." Corona spielte ihr in die Hände, weil plötzlich viel im digitalen Raum passierte. Auf diese Intensität wollte sie auch nach dem Ende der strengen Schutzmaßnahmen nicht verzichten. Sie zog kurzerhand nach Wuppertal, suchte sich in der Diakonie eine neue Stelle und studierte dann Vollzeit insgesamt vier beziehungsweise fünf Semester mit dem Propädeutik Semester. Vergangenen September beendete sie das Studium. 

Ihre Erwartungen an das Studium haben sich erfüllt, sagt Stracke. "Mir war vorher nicht klar, was denn eigentlich ein Theologiestudium bedeutet." Sie musste die beiden Sprachen Hebräisch und Altgriechisch lernen "Das war schon eine Riesenherausforderung und ging nur in einer sich gegenseitig unterstützenden Gruppe von Studierenden." Dann ging es richtig mit den Inhalten los. "Das war voll meins. Ich habe viel auch gelesen und viele Zusatzveranstaltungen nebenbei belegt. Es gibt einfach tolle Professorinnen und Professoren an der Hochschule."

Jetzt ist sie Vikarin. Auch hier tritt sie nicht auf ausgetretenen Pfaden. "Meine Landeskirche startete mit mir im Kirchenkreis Hamm ein Projekt namens ‚Berufsbegleitendes Vikariat‘." Stracke ist mit 60 Prozent als Gemeindepädagogin im Kirchenkreis für eine Gemeinde angestellt. In der restlichen Zeit macht sie das Vikariat, und zwar in der gleichen Zeit, in der auch andere das Vikariat machen. "Es wird mir wirklich vieles anerkannt von dem, was ich bisher gemacht habe. Diese ganzen pädagogischen Geschichten, Projektplanung, Projektmanagement für Gemeinden wie auch meine Leitungspositionen."

"Ich glaube, dass ich ganz schön dafür gekämpft habe. Ich habe viel gegeben"

Es hat sich für Sabine Stracke gefügt. "Ich glaube aber auch, dass ich ganz schön dafür gekämpft habe. Ich habe viel gegeben." Kirche müsse heute einen Umdenkprozess machen. "Wir brauchen diese Nachwuchsmöglichkeiten." Die Lebens- und Arbeitserfahrungen von Menschen mit Berufserfahrungen sei für alle eine Bereicherung.

Ihr Vikariat endet im März 2026. Dann möchte sie als Pfarrerin arbeiten. Schon jetzt nimmt sie viele ihrer künftigen Aufgaben wahr. Sie arbeitet in einem interprofessionellen Pastoralteam zusammen mit einer Pfarrerin. "Wir leiten die Gemeinde sozusagen pastoral und pädagogisch in einem Team. Ich bin für die Kitas, Gruppen und Kreise zuständig, aber auch für die Seelsorge. Mache auch Gottesdienste einmal im Monat und koordiniere das Ehrenamt. Man teilt sich die Aufgaben, die früher ein Pfarrer gehabt hat." 

Was hat sie sich vorgenommen, wenn Sie Pfarrerin sein wird? "Mir ist total wichtig, dass wir die Menschen mitnehmen, die, denen es sozial nicht so gut geht, dass wir nicht nur eine Kirche des Mittelstands sind, sondern auch wirklich rausgehen, Menschen unterstützen und helfen. Ich sage immer: Ich bin Jesus Fan und möchte, dass wir als Kirche so handeln, wie er es vorgelebt hat." Auch diejenigen will sie ansprechen, die der Kirche fern seien, die sich vielleicht auch nicht in die Kirche zu althergebrachten Traditionen trauten. "Ich möchte meinen alten Job und den neuen verbinden."

Wichtig sei nicht, ob jemand Mitglied ihrer Kirche sei oder schlicht ein Mensch, der einfach Unterstützung brauche. Außerdem ist Stracke eine Verfechterin der Ökumene. "Ich finde, Christen sind Christen und Jesus hat sich bestimmt nicht überlegt, dass es verschiedene Konfessionen gibt. Das ist für mich die Haltung. Die Haltung ist immer eine christliche."