Auch wenn die Kirchen weiter Gottesdienste feiern dürfen, die Corona-Pandemie geht auch an ihnen nicht spurlos vorüber. Pandemiebedingt kam am Sonntag die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ausschließlich digital statt wie ursprünglich geplant in einem Hotel in Berlin zusammen. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sprach in seinem traditionellen Bericht zur Eröffnung vor allem über die Konsequenzen der Pandemie. "Wir sind in diesen Tagen eine verwundete Gesellschaft", sagte er.
Eine tiefe Wunde schlägt die Pandemie auch in die kirchlichen Haushalte, die sich angesichts von Kurzarbeit, Jobverlusten und Wirtschaftseinbruch auf weniger Einnahmen einstellen müssen. Mit rund 4,75 Milliarden Euro Kirchensteuern rechnet ein zur Synode vorgelegtes Finanzpapier für das aktuelle Jahr. Das wären fast 1,2 Milliarden Euro weniger als 2019. Dieser Einbruch kommt in einer Zeit, in der die evangelische Kirche angesichts des Mitgliederverlusts ohnehin intensiv überlegt, wie sie den Gürtel enger schnallt.
Corona beschleunigt die Transformation
Corona erhöht nun den Druck. "Was wir mit der Corona-Pandemie erleben, ist in gewisser Weise ein Transformationsbeschleuniger", sagte der Berliner Bischof Christian Stäblein vor der Tagung der Synode dem Evangelischen Pressedienst (epd). Stäblein predigte im Gottesdienst zur Eröffnung der jährlichen Beratungen und machte deutlich, dass es ernst werde: "Die Synode wird manches heiße Eisen anfassen."
Ein Team mit Mitgliedern von Synode, Rat der EKD und Vertretern der Landeskirchen hatte dem Kirchenparlament vor der Tagung zwölf Leitsätze vorgelegt, die Bilanz über bisherige Arbeit ziehen und Hinweise geben, was beibehalten und was auf den Prüfstand gestellt werden soll. In für kirchliche Papiere seltener Schonungslosigkeit heißt es darin: "Christlicher Glaube hat für viele Menschen an Plausibilität und Relevanz verloren." Es gebe eine "tieferliegende Glaubenskrise". Kirche verliere an Attraktivität, und ihre gesellschaftliche Bedeutung nehme ab.
Synodenpräses: "Es wird kontrovers werden"
Das Papier fordert, künftige Arbeit vor allem darauf auszurichten, dass Mitglieder gebunden, die Gemeinschaft innerhalb der föderalen Struktur stärker ausgeprägt und die öffentliche Präsenz der evangelischen Kirche gefördert wird. Das heißt unter anderem, dass mehr junge Menschen gewonnen, Doppelstrukturen abgebaut und Allianzen mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Religionsgemeinschaften geschmiedet werden sollen, wo die eigene Kraft nicht mehr ausreicht.
"Es wird kontrovers werden", sagte die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, vor der Debatte über das Papier voraus. Dem Kirchenparlament ebenfalls zuvor vorgelegte konkrete Finanzplanungen hatten schon für rege Diskussionen gesorgt. Zudem war die Grünen-Politikerin und Synodale Katrin Göring-Eckardt mit der Forderung einer Reduzierung der Zahl der Landeskirchen an die Öffentlichkeit getreten. Eine in der Vergangenheit hitzig diskutierte Möglichkeit eines reduzierten Kirchensteuersatzes für junge Erwachsene war dagegen vor der Synode wieder aus dem Papier gestrichen worden, über das am Montag schlussendlich abgestimmt werden soll.
Öffentlich-wirksame Kirche
Worauf die evangelische Kirche auch in Zukunft nicht verzichten will, das machten Spitzenvertreter klar, ist der Anspruch auf gesellschaftliche Einmischung. "Wir sind und wir wollen nicht die schweigende Kirche sein", sagte Bischof Stäblein. Der Ratsvorsitzende Bedford-Strohm verwies darauf, wie die Kirchen in der Pandemie nicht nur den eigenen Gläubigen Vertrauen und Trost geben: "Nach acht Monaten Pandemie brauchen wir als Gesellschaft in der öffentlichen Kommunikation neben dem richtigen Handeln auch stärkende Worte."
Dafür würden die Kirchen gebraucht, bestärkte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diesen Kurs in seinem Videogrußwort an die Synode. Immer wieder würden die Kirchen in privaten und öffentlichen Debatten Brücken schlagen. "Die Kirche der Zukunft, wie immer sie aussehen mag, soll - wenn es nach dem Bundespräsidenten geht - eine öffentlich wirksame Kirche bleiben", sagte das protestantische Staatsoberhaupt.