Bernhard Felmberg
epd-bild/Christian Ditsch
Bernhard Felmberg hat das Amt des evangelischen Militärbischofs am 1. Oktober übernommen.
"Wir brauchen nicht nur die besten Geräte, sondern auch die besten Werte"
Der neue Militärbischof Bernhard Felmberg will die Seelsorge in der Bundeswehr stärken
Seelsorge bietet einen wichtigen Freiraum außerhalb der militärischen Hierarchie, sagt der neue Militärbischof Bernhard Felmberg. Dort könne über Werte gesprochen werden - wichtig auch angesichts rechtsextremer Vorfälle in der Truppe. Eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht lehnt der Theologe, der am 22. Oktober in sein Amt eingeführt wird, ab. Ein Dienst, egal ob militärisch oder zivil, müsse freiwillig sein.
22.10.2020
epd
Interview: Corinna Buschow und Karsten Frerichs

Nach etlichen Jahren im Entwicklungsministerium kehren Sie als Militärbischof zur evangelischen Kirche zurück. Wie fühlen Sie sich?

Bernhard Felmberg: Die erste Antwort lautet: Ich war nie weg. In den vergangenen sieben Jahren habe ich als ehrenamtlicher Pfarrer etliche Gottesdienste gehalten, 40 bis 50 in jedem Jahr, seien es Familiengottesdienste im Berliner Grunewald, Stadiongottesdienste bei Hertha BSC, Taufen, Trauungen und Beerdigungen.

Und die zweite Antwort?

Felmberg: Natürlich ist es jetzt noch einmal ein Wechsel in eine neue kirchliche Leitungsposition. Und obwohl es mir Entwicklungsministerium sehr, sehr gutgegangen ist, habe ich die Herausforderung gerne angenommen. Denn wir können in der Militärseelsorge viel Gutes für unsere Kirche bewirken.

Wie meinen Sie das?

Felmberg: Militärseelsorge bietet die Chance für ein Best-Practice-Modell evangelischen Handelns. Wir leben ein sehr intensives Kirche-Sein. Die Militärpfarrerinnen und -pfarrer sind eng zusammen mit jenen, denen sie anempfohlen sind, den Soldatinnen und Soldaten. Bei Auslandseinsätzen und besonders auf Schiffen der Marine leben sie auf engstem Raum zusammen, bisweilen vier Monate am Stück oder noch länger. Seelsorge, den gemeinsamen Glauben leben, Verkündigung geschehen in einem intensiven Beisammensein, das ist schon etwas Besonderes.

"Ich halte es für völlig normal, wenn die Bundeswehr in Krisenzeiten hilft"

Stellt das besondere Anforderungen?

Felmberg: Natürlich, das seelsorgerliche Profil von Militärgeistlichen muss stark ausgeprägt sein. Militärpfarrerinnen und -pfarrer brauchen zudem eine besondere Mentalität, sich auf die Bedingungen ihrer Arbeit bei der Bundeswehr einzulassen. Ich will mich dafür einsetzen, dass uns von den Landeskirchen weiterhin ausreichend gutes Personal zur Verfügung gestellt wird und wir auch eine gute Mischung von erfahrenen und jungen Kolleginnen und Kollegen haben.

Heißt das, die Militärseelsorge muss von den Sparanstrengungen in der evangelischen Kirche ausgenommen werden?

Felmberg: Wir dürfen nicht mit dem Rasenmäher vorgehen und überall sparen, sondern müssen darüber reden, wo es sinnvoll ist und wo nicht. Wir sollten Stärken stärken und zugleich sehen, was sich im evangelischen Bereich nicht mehr lohnt. Das muss sehr differenziert angeschaut werden. Und natürlich ist auch die Militärseelsorge im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu Einsparungen bereit.

In der Corona-Krise hilft auch die Bundeswehr den vielerorts überforderten Gesundheitsämtern. Manche sehen das kritisch, lehnen Unterstützung ab. Können Sie das verstehen?

Felmberg: Soweit ich das beurteilen kann, sind die meisten Behörden für die Hilfe der Bundeswehr sehr dankbar, auch wenn es in Berlin den einen oder anderen Bezirk gibt, der das anders sieht. Ich halte es für völlig normal und sinnvoll, wenn die Bundeswehr in zivilen Krisenzeiten hilft. Hilfe der Bundeswehr unter anderem bei Hochwasser-Katastrophen hat sicher dazu beigetragen, dass ihr Ansehen in der Bevölkerung gestiegen ist.

"Ethische Bildung muss Bestandteil der Ausbildung sein"

Die Bundeswehr geriet zuletzt unter anderem wegen rechtsextremistischer Umtriebe im Kommando Spezialkräfte in die Schlagzeilen. Sehen Sie da für sich eine Aufgabe?

Felmberg: Das ist weniger ein Aufgabenfeld für die Seelsorge, denn für den lebenskundlichen Unterricht, den die Militärgeistlichen in der Bundeswehr leisten. Der Freiraum zur ethischen Diskussion muss genutzt werden, um deutlich zu machen, für welche Werte die Bundesrepublik Deutschland steht. Wir können dort als Kirche einwirken. Gerade wenn es um ethische Fragestellungen und Persönlichkeitsbildung geht, sind Dienstvorgesetzte im Unterricht oft nicht die geeigneten Gesprächspartner. Militärseelsorge kann hier einen wichtigen Freiraum außerhalb der militärischen Hierarchie bieten.

Werden Sie das auch in Ihren Gesprächen mit den Militärseelsorgern vor Ort besprechen? Dass sie von den mehr als 1000 vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) seit 2017 registrierten Verdachtsfällen nichts mitbekommen haben, ist doch schwer vorstellbar.

Felmberg: Sicher werde ich das ansprechen. Für die nächsten Wochen ist geplant, die einzelnen Konvente zu besuchen, um dort mit den Pfarrerinnen und Pfarrern unter anderem über den lebenskundlichen Unterricht zu sprechen. Ich telefoniere seit meinem Amtsbeginn täglich mit rund einem Dutzend Militärpfarrern und -pfarrerinnen, um möglichst alle 105 wenigstens einmal kurz am Ohr gehabt zu haben. Dabei geht es aber eher um einen ersten Eindruck über ihre Arbeit vor allem jetzt in der Corona-Zeit.

Ihr Amtsvorgänger Sigurd Rink hat die Abschaffung der Wehrpflicht immer wieder kritisch kommentiert. Er sprach von "neuen Söldnern". Teilen Sie die Kritik?

Felmberg: Ich glaube, dass die Aussetzung der Wehrpflicht momentan politisch nicht zur Disposition steht. In einer Berufsarmee werden aber die schon angesprochenen Dinge eben noch viel wichtiger: lebenskundlicher Unterricht, innere Führung, ethische Bildung. Sie müssen verpflichtender Bestandteil der Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten sein. Es geht bei der Bundeswehr nicht nur um die besten Geräte, sondern auch um die besten Werte.

"Am Ende muss der Mensch entscheiden, nicht ein Algorithmus"

Die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich für ein Dienstjahr - abzuleisten in der Bundeswehr oder im sozialen Bereich - stark gemacht. Was halten Sie von der Idee?

Felmberg: Mir ist wichtig, dass es bei der Freiwilligkeit bleibt. Freiwilligkeit ist die Voraussetzung dafür, dass man Menschen bekommt, die sich für das, wohin sie gehen, auch wirklich interessieren. Das kann auch die Bundeswehr sein. Aber ich bin gegen eine Pflicht.

Verteidigungspolitiker stehen derzeit vor einer schwierigen ethischen Debatte über den Einsatz bewaffneter Drohnen. Wie stehen Sie dazu?

Felmberg: Für mich ist wichtig, dass am Ende kein Algorithmus und keine Maschine darüber entscheiden darf, ob es zu einem Einsatz von Waffen kommt. Wir brauchen eine Situationssensibilität und Empathie, die am Ende zu einer Entscheidung führen. Diese Entscheidung ist dem Menschen vorbehalten.

Es geht ja auch um die Frage, ob der Mensch vor Ort oder Tausende Kilometer entfernt entscheidet. Hat das Einfluss auf die Empathie?

Felmberg: Ich antworte mit einer Frage: Haben wir den Eindruck, dass es in den Jahrhunderten, in denen sich Menschen mit Waffen direkt gegenüberstanden, ethisch besser zuging? Oder dass weniger Gewalt zum Einsatz kam? Ich habe da Zweifel. Es zeigt aber, welche Breite diese Diskussion hat, die nach meiner Meinung international und national noch tiefgreifender geführt werden muss, als es bislang der Fall ist.

Sie sind in West-Berlin groß geworden, haben Theologie studiert und sind so der Wehrpflicht sozusagen entkommen. Hand aufs Herz: Hätten Sie verweigert?

Felmberg: Es stimmt, meine einzigen Erfahrungen damals mit Militär waren Begegnungen mit Alliierten, also Soldaten in französischen, englischen oder amerikanischen Uniformen. Ich möchte im Nachhinein nicht spekulieren, wie ich mich damals entschieden hätte. Ich bin eigentlich nicht der Verweigerungstyp. Genauso weiß ich, was Zivildienstleistende Gutes getan haben. Die Frage ist daher für mich obsolet, weil ich mein Gewissen daraufhin nicht prüfen musste.