Zum Auftakt der Aktion "Friedhofskultur ist Immaterielles Kulturerbe" in Berlin bezeichnete Kulturstaatssekretär Gerry Woop (Linke) die historischen Friedhöfe der Hauptstadt als "unvergleichliches Archiv der Stadtgeschichte und wichtige Zeugnisse der kunst- und kulturgeschichtlichen Entwicklung".
Der Berliner Bischof Christian Stäblein betonte auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, die Friedhofskultur sei ein wichtiger Teil des gemeinsamen Gedächtnisses. Sie zeige "wie die Gesellschaft mit Tod und Sterben umgeht, wen wir und wie wir erinnern". Dies sei der Gradmesser für jede Kultur schlechthin. "Mit der Auszeichnung verknüpft sich die Hoffnung, dass noch mehr Menschen für die Bedeutung der Friedhofskultur sensibilisiert werden", sagte Stäblein weiter. Seit alters her stelle die Friedhofskultur eine Beziehung zwischen Diesseits und Ewigkeit her.
Identitätsstiftende Kraft
Hintergrund ist die Auszeichnung der Friedhofskultur in Deutschland als "Immaterielles Kulturerbe" durch die Kultusministerkonferenz auf Vorschlag der Deutschen Unesco-Kommission. Die Auszeichnung erfolgte bereits im März, konnte aber coronabedingt nicht entsprechend gewürdigt werden, wie es hieß. Am 18. September erhalten im Rahmen der Kampagne deutschlandweit 125 Friedhöfe entsprechende Banner und Plaketten. Zwei Tage später beteiligen sich zahlreiche Friedhöfe am alljährlichen Tag des Friedhofs.
Tobias Pehle, Geschäftsführer des Kuratoriums "Immaterielles Erbe Friedhofskultur", betonte, die identitätsstiftende Kraft der Friedhofskultur reflektiere die Leistungen der Vorfahren und die Geschichte der Gesellschaft: "Sie ist unverzichtbarer Teil unserer kulturellen Identität."
Gärten der Erinnerung
"Wir können feststellen, dass immer mehr Menschen Friedhöfe als Ort der Erinnerung aufsuchen - sei es zum Gedenken an nahestehende Verstorbene oder an bekannte Persönlichkeiten und deren Geschichte", sagte der Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofsverbandes Berlin Stadtmitte, Tillmann Wagner. Friedhöfe und die Friedhofskultur seien in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter aus der Mitte der Gesellschaft gerückt, sagte Wagner: "Die Friedhofs- und Gedenkkultur war lange Zeit fast schon ein Tabuthema." Jahrelang hätten deutschlandweit Friedhofsträger versucht, diesen Trend umzukehren.
"Heute kann ich sagen, wir sind auf einem guten Weg. Friedhöfe werden wieder stärker wahrgenommen", sagte Wagner. Die Ernennung der deutschen Friedhofskultur als "immaterielles Kulturerbe" sei ein weiterer Meilenstein, um darauf aufmerksam zu machen, "dass Trauern, Erinnern, Würdigen genauso wie das Gestalten, Pflegen und Weiterentwickeln Friedhofskultur ist".
Die Aufnahme der Friedhofskultur in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis wurde unter anderem mit dem weltweit einmaligen Umgang mit den Toten begründet: "Zum einen die Einbettung der Gräber in Parklandschaften, zum anderen die Gestaltung der Gräber als kleine Gärten der Erinnerung", heißt es auf der Homepage der Initiative Kulturerbe Friedhof.
Als Problem bezeichnete Wagner die stetig steigende Anzahl an Urnenbeisetzungen. In Verbindung mit anderen Beisetzungsformen würden Friedhöfe "sozusagen verwaisen": "Der enorme Flächenüberhang und die damit einhergehenden Grünpflegekosten lassen sich kaum refinanzieren."