Mit einer Festwoche und einem Festgottesdienst wird das 125. Kirchweih-Jubiläum der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gefeiert. Der im neoromanischen Stil errichtete Sakralbau war am 1. September 1895 eingeweiht worden. Zum Auftakt der Festwoche lädt die Kirchengemeinde am Dienstag (1. September) zu Andachten, Orgelmusik und einem Dialog-Festvortrag mit dem Kulturbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, und Gedächtniskirchenpfarrer Martin Germer ein, wie die Gemeinde auf ihrer Homepage mitteilte. In den folgenden Tagen stehen täglich Andachten, Orgelmusiken und Führungen auf dem Programm. Höhepunkt ist am 6. September ein Festgottesdienst mit der Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein und den Gemeinde-Pfarrern Kathrin Oxen und Martin Germer.
Zur Geschichte: Das Kaiserpaar wollte damals nicht nur eine bloße Kirche. Nein, es sollte nach dem Willen von Kaiser Wilhelm II. und Gattin Auguste Viktoria auch eine Gedenkstätte für den Großvater des Regenten, Kaiser Wilhelm I., werden. Wilhelm I. galt aufgrund des unter preußischer Führung 25 Jahre zuvor errungenen Sieges über Frankreich im deutsch-französischen Krieg als "Friedenskaiser". Die Einweihung der Kirche nach nur vierjähriger Bauzeit fand deshalb am 25. Jahrestag der Entscheidungsschlacht von Sedan statt.
Monumental: Bau und Einweihung
Wie das neue Bauwerk am Berliner Tauentzien war auch die Einweihung am 1. September 1895 monumental: Beteiligt waren 5.000 Kriegsveteranen, 4.000 Schulkinder, 2.300 Ehrengäste, 1.000 Soldaten und 200 Musikanten. In Berlin und Umgebung läuteten alle Glocken. Die Kirche galt als neues Nationaldenkmal.
Der Architekt Franz Schwechten hatte für 6,8 Millionen Goldmark den wuchtigen Kirchbau im neoromanischen Stil in den eleganten Berliner Westen gesetzt. Das Gebäude hatte fünf Türme, der Hauptturm maß 113 Meter. Die Fassade bestand aus einem in der Eifel gebrochenen Kalksandstein. Ein Bildzyklus in der Eingangshalle zeigte das Leben Wilhelms I. und Schlachtszenen von 1870/71.
Die fünf Glocken wogen zwischen drei und 13 Tonnen und waren aus im Deutsch-Französischen Krieg erbeuteten Bronzegeschützen gegossen. An Größe und Gewicht wurden sie damals nur von dem Geläut des Kölner Doms übertroffen.
Der Niedergang der Kirche kündigte sich im Januar 1943 an, als die vier größten Glocken zu Kriegszwecken eingeschmolzen wurden. Elf Monate später wurde der wuchtige Kirchenbau Opfer des bis dahin schwersten alliierten Bombenangriffs auf die Reichshauptstadt am 22. November 1943. Die Kirche geriet wie viele Gebäude im Berliner Westen in Brand, bis der Dachstuhl über dem Kirchenschiff zusammenbrach und die Spitze des Hauptturms abknickte.
Alliierte taten sich schwer mit Symbol des deutschen Nationalstolzes
Nach dem Krieg taten sich die Alliierten schwer, dieses Symbol wilhelminisch-deutschen Nationalstolzes wieder aufzubauen. Im Jahr 1956 wurden schließlich die verbliebenen Mauern des Gebäudes abgetragen, nur die noch 71 Meter hohe Turmruine blieb übrig.
Gleichzeitig wurde ein Architektenwettbewerb für einen Kirchenneubau ausgeschrieben, den 1957 der Karlsruher Architekt Egon Eiermann gewann. Eiermann wollte die radikale Lösung und auch noch mit der Turmruine das letzte Stück der alten Gedächtniskirche abreißen. Damit löste er im Nachkriegs-West-Berlin eine heftige Kontroverse aus. Allein bei einer einzigen Tageszeitung gingen 47.000 Protestbriefe ein, der Regierende Bürgermeister Otto Suhr (SPD) hielt gar eine Rundfunkansprache. Am Ende gab es einen Kompromiss.
Der Turm blieb als Antikriegs- und Friedensmahnmal stehen. Daneben setzte Eiermann den Betonbau der neuen Gedächtniskirche mit modernem Glockenturm und ihrer charakteristischen Wabenfassade und den Glasbausteinen, deren Lichteinfall dem Inneren eine mystische Aura verleiht. Der Architekt selbst resümierte resigniert: "Ich lasse den alten Turm stehen, wie er ist; ich tue nichts an ihm. Ich erwecke ihn nicht zu neuem Leben. Er ist tot..."
Teure Ruine
Der achteckige Neubau wurde am 17. Dezember 1961 durch den damaligen evangelischen Bischof Otto Dibelius eingeweiht. Er gilt heute als wichtiges Bauwerk der Nachkriegsmoderne.
Der alte Turm beschäftigt die Gemeinde aber immer wieder - vor allem finanziell. Die Ruine musste schon mehrmals saniert werden, zuletzt für 4,2 Millionen Euro zwischen 2011 und 2014.
Die ehemalige Eingangshalle in der Turmruine wurde zur 750-Jahr-Feier Berlins im Jahr 1987 in einen Raum des Gedenkens an die Geschehnisse und die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg umgewandelt. Eines der zentralen Exponate ist das Nagelkreuz von Coventry als Zeichen der Versöhnung. Traurige Bekanntheit weltweit erlangte die Kirche durch den Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016.
Der historisch-sperrige Name Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist in den vergangenen 125 Jahren durch alle Epochen beibehalten worden. Aber natürlich wurden alte und neue Kirche auch mit vielen Spitznamen bedacht: "Taufhaus des Westens", "Hohler Zahn", "Eierkarton". Andere sprechen einfach kurz und knapp von der KWG.