Aus der Küche duftet es nach Mittagessen. Es gibt Bratnudeln mit Gemüse und Speck. Sechs Gäste sitzen im Café "Augenblicke" des Jesus-Centers im Hamburger Schanzenviertel. Es ist ruhig bis auf das Klimpern der Löffel im Teller. Wegen der Corona-Krise herrscht hier nicht die übliche Mischung aus Stimmengewirr und Gedränge. Immerhin: Das günstige Essen für Bedürftige gibt es weiterhin.
In diesem Jahr feiert das Jesus-Center 50-jähriges Bestehen. Drei Veranstaltungen waren geplant: Der Neujahrsempfang im Februar konnte noch stattfinden, aber das Straßenfest am 14. Juni musste abgesagt werden, ebenso wie das Treffen aktueller und ehemaliger Mitarbeiter im September.
Im März 1970 wurde der Trägerverein gegründet, der heute Mitglied im Diakonischen Werk ist. Die Menschen auf den Fotos von damals sind langhaarig und wild gekleidet. Zwei Jahre zuvor hatten sich Rocker und Hippies zu Jesus bekehrt. Da sie sich jedoch in die traditionellen Gemeinden nicht eingliedern konnten, bekamen sie in der Schanze ein Haus für sich. Die Arbeit des Jesus-Centers war von Anfang an stark nach außen gerichtet, berichtet Vorstandsmitglied Holger Mütze. Die Mitarbeiter gaben eine Zeitung heraus, die vom Evangelium handelte, und veranstaltete große Evangelisationen. Immer mehr diakonische Hilfsangebote kamen hinzu.
Vertreter jener, deren Stimme leicht überhört wird
Inzwischen hat sich die Arbeit professionalisiert, aber die christliche Motivation ist geblieben. Die Mitarbeiter sind alle "überzeugte Christen in einer ganz großen überkonfessionellen Bandbreite", sagt Mütze. Regelmäßig beten sie miteinander. Zuerst saßen die Gäste abends in einer Teestube zusammen, 1983 öffnete der Mittagstisch im Café "Augenblicke". Nach wie vor ist das Café das Herzstück der Arbeit. Wenn es keine Kontaktbeschränkungen gäbe, würden hier mittags 60 Menschen und mehr beim Essen zusammensitzen, andere auf Duschen oder den Zugang zur Kleiderkammer warten. Auch der Stadtteilbeirat trifft sich hier.
Das Jesus-Center versteht sich als Vertreter derjenigen, deren Stimme im Quartier leicht überhört wird: Kinder und Jugendliche, Bedürftige und Obdachlose. "Wir wollen Nächstenliebe auf der Schanze leben", sagt Mütze.
Die Arbeitsbereiche des Jesus-Centers sind immer weiter gewachsen. In den 80er-Jahren entstanden Angebote zu Suchtberatung, Seelsorge und Therapie. In den 90er-Jahren kam die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hinzu. Seitdem zieht ein Team regelmäßig mit einem Bollerwagen voller Spielzeug zu den Kindern in die Parks. Im Haus gibt es Jugendräume zum Spielen und Lernen. 1995 erhielt das Jesus-Center die Anerkennung als Jugendhilfeträger und konnte so Wohnplätze für Jugendliche finanzieren. Momentan leben vor allem minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im Haus.
Zeichen stehen auf Erweiterung
Was die Bewohner des Viertels derzeit vor allem brauchen, kann Holger Mütze schnell beantworten. "Ruhe", sagt er. Im Schanzenviertel breitet sich die Partykultur immer weiter aus. Anwohner kommen teils nicht mehr zu ihren Hauseingängen oder müssen morgens über Betrunkene steigen. Geschäfte schließen, Gastronomie breitet sich aus. "Es ist schwieriger geworden, hier zu leben", sagt Mütze. Jugendlichen fehlen vor allem Räume, in denen sie sich frei bewegen können, denn die Parks und Spielplätze werden auch von Drogensüchtigen und Obdachlosen in Anspruch genommen.
Vor zwanzig Jahren kaufte das Jesus-Center mit Stiftungsgeldern, Spenden und Krediten das Nachbarhaus in der Juliusstraße. Inzwischen reichen auch diese Räume nicht mehr aus. 2021 wird das Jesus-Center deshalb von der Stadt zwei Etagen im neu ausgebauten Bunker im Florapark mieten. Sport und Spiele können dann dort stattfinden, Beratung und Hilfe weiter in den Häusern Schulterblatt und Juliusstraße.