Auf dem Fürther Friedhof steht seit kurzem ein Denkmal für eine besondere Frau, das einen ungewöhnlichen Hintergrund hat: Seit einem knappen Jahr wird dort an Emilie Lehmus gedacht, die erste deutsche Medizinstudentin. Allerdings zeigt die Skulptur eine ganz andere Frau. Dahinter steckt eine wechselvolle Geschichte mit Recycling-Gedanken, Ärger und letztlich einem Happyend.
Die Pfarrerstochter Emilie Lehmus wurde 1841 geboren und arbeitete viele Jahre als Frauen- und Kinderärztin - zu einer Zeit, in der weibliche Mediziner alles andere als üblich waren. Und weil Frauen im Deutschen Reich nicht zum Medizinstudium zugelassen wurden, musste Lehmus ab 1870 Medizin in Zürich studieren, wo sie ihr Studium nach neun Semestern mit Auszeichnung bestand. Trotzdem: Nur durch behördliche Duldung und mit Verweis auf ihre in der Schweiz erworbene Approbation durfte Lehmus ab 1876 in Berlin mit einer anderen Kollegin eine private Praxis für Frauen und Kinder betreiben.
Die beiden eröffneten 1887 die erste Poliklinik weiblicher Ärzte für Frauen und Kinder in Berlin. Nachdem Lehmus im Alter von 60 Jahren aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf aufgeben musste, zog sie zu ihrer Schwester ins fränkische Gräfenberg und war dort 1908 Gründungsmitglied der Vereinigung weiblicher Ärzte. Lehmus starb am 17. Oktober 1932 in Gräfenberg und wurde auf dem Fürther Friedhof begraben, den ihr Vater, Pfarrer Friedrich Theodor Eduard Lehmus, einst eingeweiht hatte.
Auf Initiative des ehemaligen Poppenreuther Pfarrers Christian Schmidt-Scheer wurde im August 2019 im südlichen Teil des Fürther Friedhofs nahe ihrem einstigen Grab ein Gedenkstein eingeweiht. Die Fürtherin Gabi Kaffka-Hummel staunte damals nicht schlecht: Der Stein sei die personifizierte Abbildung der ersten Frau ihres Onkels Wilhelm Schuierer, nämlich Christel Schuierer - ebenfalls eine Fürtherin, die von 1916 bis 1944 lebte und schon im jungen Alter von 28 Jahren starb. Der ihr zu Ehren damals errichtete Gedenkstein durfte nach Auflösung des Grabs nicht vom Fürther Friedhof entfernt werden, weil er als Denkmal galt. "In unseren Augen ist es pietätlos für beide Verstorbenen", ärgerte sich Kaffka-Hummel.
"Ausgemustertes Denkmal"
Auch Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz war überrascht von dem Vorgang, auf den sie erst nach der Präsentation des Denkmals aufmerksam gemacht wurde. Auf Bitte von Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) wandte sie sich zuerst an die Hinterbliebene. "Ich habe ihr vorgeschlagen, auf der Vorderseite des Memorials eine Tafel anzubringen, auf der über die tatsächliche Herkunft des Grabsteins informiert wird", erinnert sich Jungkunz. "Das waren sehr angenehme Telefonate und Mails, die dazu führten, dass man mit dem Vorschlag einverstanden war." Diese Tafel wurde von der Friedhofsverwaltung mittlerweile angebracht.
Doch wie kam es überhaupt dazu, dass ein "ausgemustertes Denkmal" wiederverwertet wird? Beim bayerischen Landesamt für Denkmalpflege informierte man die Stadtheimatpflegerin, dass der Fürther Friedhof ein in die bayerische Denkmalliste eingetragenes Einzelbaudenkmal sei, zu dem auch generell sämtliche historisch bedeutsamen Grabsteine gehören. Wie Friedhofsleiter Norbert Wagner auf Anfrage erklärt, gebe es auf dem Friedhof Hunderte alter Skulpturen und Gedenksteine rund um aufgelassene Gräber, die vor vielen Jahren ihrer kulturhistorischen Bedeutung nach in drei Klassen eingeteilt wurden.
Patenschaften für einen Grabstein
"Man kann Patenschaften für einen solchen Stein übernehmen und diesen dann gegebenenfalls für eigene Zwecke nutzen", sagt Wagner. Das geschehe dann immer in Verbindung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde am Landratsamt Fürth sowie einem sachkundigen Steinmetz. Im Falle des Schuierer-Standbilds habe man sich für einen Stein der Klasse A entschieden, der dann nach Absprache entsprechend saniert und umgewidmet wurde.
Ein solches Vorgehen wird seit Jahren am Fürther Friedhof praktiziert. "Wir haben im Fundus nicht nur Statuen, die realen Personen nachempfunden wurden, sondern auch viele Engelsfiguren oder ähnliche zeitlose Kunstwerke", sagt Wagner. "Es wäre schade, wenn diese Figuren einfach ausgesondert würden." So hingegen würden sie überarbeitet und weiterverwendet.
Auch in Jungkunz' Augen spricht grundsätzlich nichts dagegen, erhaltenswerte Kulturgüter auch anderweitig einzusetzen, "aber da sollte man doch etwas mehr Fingerspitzengefühl walten lassen und auf jeden Fall mit allen Beteiligten eine gute Lösung finden", so die Stadtheimatpflegerin. Das sei allemal besser, als alte Grabsteine auf der Bauschuttdeponie zu entsorgen, was leider auch schon vorgekommen sei.