In der Schneiderei von Manu Ibrahim ist eigentlich immer viel los. Die Handwerkskunst des 2015 nach Deutschland geflüchteten Syrers wird weithin geschätzt. Anfang 2018 wagte es Ibrahim, sich in Würzburg selbstständig zu machen. Alles lief gut. Bis zur Corona-Krise: Er musste seinen Laden schließen, niemand bestellte mehr etwas. "Dann erhielt ich den Auftrag, 900 Schutzmasken zu nähen", erzählt der 33-Jährige. In der Folge kamen weitere Maskenaufträge. Das hat sein Geschäft gerettet.
Ibrahim war es gelungen, sich binnen kurzer Zeit einen Kundenkreis aufzubauen. Was er in den letzten zweieinhalb Jahren geleistet hat, ist für alle, die ihn kennen, erstaunlich. Denn Ibrahim kam als Analphabet nach Deutschland, Deutsch sprach er schon gar nicht. Mit viel Fleiß baute er sein Geschäft auf. 14-Stunden-Tage waren und sind für ihn keine Seltenheit. Wäre seine Schneiderei durch die Corona-Krise pleitegegangen, wäre all sein Fleiß umsonst gewesen.
Dass er einen Migrationshintergrund hat, bringe ihm keine Nachteile, sagt der zum Katholizismus konvertierte Syrer. Durch sein handwerkliches Geschick und sein freundliches Wesen schaffte er es, die Sympathien der Menschen in seiner neuen Heimatstadt zu gewinnen. Anderen Geflüchteten geht es bei weitem nicht so gut. Oft kämpfen sie gegen Behörden und Bürokratie, Rassismen im Alltag und Vorurteile auf dem Arbeitsmarkt. Durch die Krise vervielfachen sich ihre Probleme.
Der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen am 20. Juni macht darauf aufmerksam, in welchen Schwierigkeiten Geflüchtete stecken. Da ist zum Beispiel Fate H. (Name geändert) aus Äthiopien. In ihr Heimatland zurückkehren zu müssen, wäre für sie eine Horrorvorstellung. "Oh nein, niemals, unter keinen Umständen!", wehrt sie ab, als sie danach gefragt wird.
Was ihr in Äthiopien widerfuhr, will die 31-Jährige nicht sagen. Schlimmes, meint sie. Deshalb floh sie mit ihrem Mann nach Deutschland. 2014 kamen die beiden an. Seither warten sie. Durch die Corona-Pandemie zieht sich alles weiter in die Länge: Ihr Asylverfahren, wurde Fate H. mitgeteilt, ruhe auf unbestimmte Zeit.
Wie lange muss sie noch warten, bis über ihren Asylantrag entschieden wird? Was, wenn sie nicht bleiben kann? Diese Fragen gehen der dreifachen Mutter, die in einem kleinen Ort in Franken lebt, ständig durch den Kopf. Und sie schlagen ihr aufs Gemüt. "Ich bin traurig, immer traurig", sagt Fate H. Besonders schlimm war für sie in den vergangenen Wochen, dass sie, obwohl ihre Not groß war, weniger Unterstützung als sonst erhielt. Normalerweise wird sie regelmäßig von der ehrenamtlichen Flüchtlingshelferin Eva Grabosch besucht: "Die ist wie eine Mama für mich." Corona verhinderte jedoch direkte Kontakte zu ihr, da Grabosch mit ihren 72 Jahren zur Risikogruppe gehört.
Dann ist da Buruk (Name geändert), der in Quarantäne musste. Das hatte für den jungen Mann, der ebenfalls aus Äthiopien floh, sehr unangenehme Folgen, sagt seine Flüchtlingshelferin Bärbel Krumme: Der positiv auf Corona getestete Afrikaner verlor dadurch seinen Job. Nun hat er keine Arbeit und kaum Geld.
Dass Behörden oft kein Pardon kennen und auf Dingen beharren, die kaum zu erfüllen sind - auch das hält Flüchtlingshelfer wie Angelika Cantré auf Trab. Derzeit hat es die Sozialpädagogin im Ruhestand mit einer Familie aus Eritrea zu tun, die aufgefordert wurde, ihre Identität nachzuweisen. Die Mutter konnte keine Geburtsurkunde herbeischaffen. Dadurch verlor sie ihre Arbeitserlaubnis. Es würden Barrieren aufgebaut, die für Geflüchtete schier unüberwindlich sind, sagt Cantré.
In der Corona-Krise könnte die gesellschaftliche Solidarität mit Geflüchteten weiter bröckeln, befürchtet Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl. Die Krise sei für Asylsuchende auch deshalb problematisch, weil sie ihre Jobchancen mindert: "Wir haben die Sorge, dass dadurch auch der Zugang zum Bleiberecht drastisch schwieriger wird."