Anna (Name geändert) kam Anfang März nach Deutschland. Die 50-Jährige ist froh, dass sie es geschafft hatte, bevor die Staatsgrenzen wegen Corona geschlossen wurden. Sie reist in der Regel für drei Monate ein, um sich in einem Seniorenhaushalt in Baden-Württemberg um den Haushalt und auch weitgehend um die Pflege zu kümmern. Dann kehrt sie für drei Monate nach Moldawien zurück. Ihr Mann, der auf einem Bauernhof in Polen arbeitet, hat den gleichen Zeitplan, wie Anna erzählt.
Tausende der geschätzt rund 300.000 osteuropäischen Hauswirtschafts- oder Pflegehelferinnen, die in deutschen Haushalten - meist schwarz - arbeiten, seien wegen der Corona-Pandemie abgereist und nicht zurückgekehrt, sagt Bernd Tews, Geschäftsführer des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste. Das reißt Versorgungslücken in der häuslichen Pflege. Hinzu komme, dass die Pandemie auch erhebliche Auswirkungen auf die legale Zuwanderung von Pflegefachkräften aus EU-Staaten habe.
Mit dem Mangel steigen die Löhne
"Zu Beginn der Corona-Krise waren Familien gezwungen, Betreuungspersonen zu engagieren, die nicht so qualifiziert sind", sagt Frederic Seebohm, Geschäftsführer des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege. "Im illegalen Bereich ist der Mangel wesentlich ernster als im legalen, oft mussten Angehörige einspringen."
Die Corona-Krise hat die Löhne für die Hilfskräfte aus Osteuropa nach oben getrieben. "Mit dem Personalmangel sind die Löhne sowohl im illegalen als auch im legalen Bereich gestiegen", sagt Seebohm. "Die Situation hat sich aber inzwischen beruhigt." Er sieht eine weitere Tendenz: Sowohl die deutschen Familien als auch die Betreuerinnen aus Osteuropa suchen in der Corona-Unsicherheit zunehmend den Weg in legale Beschäftigungsverhältnisse.
Rekrutierung läuft gut
Daniel Schlör von der Vermittlungsagentur SunaCare sagt, es sei schwieriger geworden, Einreisen zu organisieren. "Die Plätze in den Bussen wurden zum Schutz der Frauen reduziert", erklärte er. "Und es kommt auch vor, dass Betreuungskräfte spontan absagen, weil sie wegen der Gesundheitsgefahr noch unsicher sind."
Zugleich laufe die Rekrutierung in Polen und Rumänien sehr gut, weil dort viele Menschen in der akuten Wirtschaftskrise ihren Arbeitsplatz verloren hätten und daher für Hilfseinsätze in deutschen Seniorenhaushalten zur Verfügung stünden, sagt Peter Blassnigg, Geschäftsführer der Essener Promedica Gruppe, die osteuropäische Pflegehelferinnen in deutsche Haushalte vermittelt.
Anna aus Moldawien blieb vor gut vier Jahren nichts anderes übrig, als einen Job in einem Seniorenhaushalt als "Mädchen für alles" anzunehmen. "Zu Hause in Moldawien arbeite ich viel mehr als hier, aber ich bin nicht so müde", sagt sie. "Hier ist es für mich psychisch schwer, ich muss immer geduldig sein, immer schweigen." Es falle ihr jedes Mal schwer, ihre Heimat zu verlassen.
Ehemalige Chefbuchhalterin
Die 50-Jährige hat in Moldawien Finanzen und Jura studiert und als Chefbuchhalterin gearbeitet. Sie und ihr Mann verdienten genug, um in einem kleinen Dorf ein Haus für die vierköpfige Familie zu bauen. Doch im Winter 2016 geriet die Familie in eine Krise. Sie hatte nicht einmal Geld, um Brennholz zu kaufen und das Haus zu heizen.
Also machte es Anna ihren Schwestern nach - und ging als Pflegehilfe nach Italien. Ihr war dort zwar zum Heulen zumute, "aber als ich mein erstes Monatsgehalt von 1350 Euro netto erhalten hatte, dachte ich: Mein Hochschuldiplom ist mir jetzt egal". In Moldawien musste sie für diesen Betrag ein ganzes Jahr arbeiten.