Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., ist nach Papst Franziskus einer der bekanntesten Religionsführer weltweit. Barack Obama und Angela Merkel sind mit ihm schon zusammengetroffen. Andere Staatsmänner und prominente Politiker statten seiner Residenz Phanar Besuche ab, wenn sie in Istanbul sind. Bartholomäus I., der am 29. Februar 80 Jahre alt wird, nutzt diesen Einfluss. Regierungen, Wissenschaft, Wirtschaft und Religionen fordert er seit Jahrzehnten zu mehr Zusammenarbeit auf: für mehr Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit auf dem Globus.
Auf vielen Reisen, wie etwa nach Grönland, machte der polyglotte Bartholomäus auf die globalen Umweltprobleme und die Klimakrise aufmerksam. Wegen seiner Impulse für den ökologischen Aufbruch der Kirchen bezeichnet man ihn gern als "Grünen Patriarchen", erklärte Metropolit Augoustinos von Deutschland, der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz von Deutschland, auf Anfrage. Augoustinos studierte gemeinsam mit Bartholomäus an der Theologischen Hochschule von Chalki, dem von den türkischen Behörden seit Anfang der 1970er Jahre geschlossenen orthodoxen Priesterseminar.
Mit Blick auf den Klima- und Umweltschutz führt Bartholomäus den theologischen Begriff der Sünde weiter: "Sünde ist für ihn nicht nur Sünde gegen Gott und den Mitmenschen, sondern auch die Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt", sagte Dagmar Heller vom evangelischen Konfessionskundlichen Institut im südhessischen Bensheim dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Das sind deutliche Worte, die man in der Orthodoxie sonst nicht findet", fügte die Orthodoxie-Expertin hinzu.
Beim Thema Bewahrung der Schöpfung trifft sich Bartholomäus mit Papst Franziskus, der 2015 seine vielbeachtete Umwelt-Enzyklika "Laudato si'" veröffentlichte. Bartholomäus entwickelte den von seinem Vorgänger Dimitrios 1989 eingeführten Tag der Schöpfung weiter. Heute findet der ökumenische Umweltschutz-Gedenktag der Kirchen jährlich am ersten Freitag im September statt.
Wegbereiter der ökumenischen und interreligiösen Begegnung
Über seinen Charakter sagt Metropolit Augoustinos: "Es ist kein Gemeinplatz, wenn ich sage, dass uns allen bereits damals klar war, dass dieser belesene, sensible und außerordentlich vielseitig begabte Mensch bedeutende Aufgaben in der Kirche übernehmen würde. Diese Erwartungen haben sich erfüllt: Seit fast drei Jahrzehnten steht er als Ökumenischer Patriarch an der Spitze unserer Kirche". Bartholomäus I. sei Wegbereiter der ökumenischen und interreligiösen Begegnung, ja auch ein Patriarch der Begegnung zwischen Kirche und Wissenschaft, zwischen Kirche und Welt.
Bartholomäus I. kam 1940 mit dem bürgerlichen Namen Dimitrios Archontonis auf der heute zur Türkei gehörenden Ägäisinsel Imbros zur Welt. Seit 1991 ist er Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel mit Sitz in Istanbul und in dieser Funktion der 270. Nachfolger des Apostels Andreas, auf den sich die Ostkirche gründet.
Konflikt zwischen Moskau und Konstantinopel
Bartholomäus I. steht der Ehrenvorsitz der orthodoxen Weltkirche zu. "Doch innerhalb der Orthodoxie gibt es keine kirchenrechtliche Festlegung, was dieser Primat wirklich bedeutet, darüber wird im Moment gestritten", gibt Heller zu bedenken. Das Moskauer Patriarchat hat die Gemeinschaft mit Konstantinopel abgebrochen, "daher wird hier der Primat offenbar nicht anerkannt", so die Orthodoxie-Expertin weiter. Ein Konflikt zwischen Moskau und Konstantinopel schwele bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts.
Verwunderung löste die Haltung von Bartholomäus I. bei Beobachtern im aktuellen Konflikt um die orthodoxen Kirchen in der Ukraine aus. "Ihm ging es um die Bewahrung der Einheit in der Ukraine." Dort gab es bis 2018 drei orthodoxe Kirchen, eine gehörte zum Moskauer Patriarchat, die zwei anderen wurden von keiner anderen orthodoxen Kirche anerkannt.
Diese Spaltung wollte Bartholomäus I. lösen, sagt die Kirchenhistorikerin Heller. Obwohl die ablehnende Haltung Moskaus absehbar gewesen sei, habe er das vorangetrieben. Heller: "Viel geändert hat sich in der Ukraine dadurch aber nicht." Weiterhin gibt es dort drei orthodoxe Kirchen. Die neue Kirche, der Bartholomäus die Autokephalie (Selbstständigkeit) verlieh, wird - bisher jedenfalls - auch nicht von allen Kirchen anerkannt.
Wahrscheinlich habe man die Dinge falsch eingeschätzt, sagt die Theologin. Den orthodoxen Christen in der Ukraine, zeigten jüngste Statistiken, sei es offenbar egal, zu welcher Kirche sie gehen. Hauptsache diese sei orthodox.