Apps wie "PaddyBase" helfen afrikanischen Bauern rund um Kredite und Ernte.
© epd-bild/Nyani Quarmyne
Matthew Abass (re.) nimmt die Daten des Reisbauern Mohammed Al-Hassan auf seinem Feld im Norden Ghanas in die App "PaddyBase" auf.
Mehr Ernte im Tausch für Daten
Mit Smartphone-Apps sollen Afrikas Kleinbauern ihre Erträge steigern
Millionen Kleinbauern in Afrika leben von der Hand in den Mund. Apps sollen ihnen jetzt helfen, der Armut zu entrinnen. Die nahezu mittellosen Bauern zahlen dafür mit ihren Daten.

Hacken, das bedeutet für Mohammed Al-Hassan: Ordentlich Schwung holen, um mit seinem Werkzeug das Feld für die Saat vorzubereiten. Fünf Tonnen Reis hat der Kleinbauer im vergangenen Jahr auf seinem Land im Norden Ghanas geerntet, so viel wie nie zuvor. Bald soll Al-Hassan noch mehr Reis ernten - dank einer App namens "PaddyBase", die Michael Ogundare entwickelt hat.

Mit der App "PaddyBase" erfassen Mitarbeiter von Reismühlen schon auf den Feldern sämtliche Daten: Ausmass des Anbaugebiets, Aussaat, Ernte, Kreditsumme, Rückzahldatum.

"Wir möchten aus der Landwirtschaft eine profitable Unternehmung machen", verspricht der 23-Jährige. Eine Hacke hat der Softwareentwickler noch nie in der Hand gehabt, dafür hat er diverse Hackathons gewonnen. Wie will gerade er Bauern eine profitablere Zukunft ermöglichen? "Indem sie Zugang zu Krediten bekommen - ohne Kredit können sie das kleine Feld hinter ihrer Hütte nicht in eine tragfähige Basis für ein Unternehmen umwandeln."

Goldgräberstimmung bei den IT-Experten

Michael Ogundare ist nicht der einzige Programmierer, der sich den lange vernachlässigten Kleinbauern in Afrika widmet. Eine ganze Generation von IT-Experten stürzt sich gerade auf den Markt, der einer Studie des europäischen "Zentrums für landwirtschaftliche und ländliche Zusammenarbeit" (CTA) zufolge bereits 147 Millionen Euro wert ist. "Aber das Potenzial ist noch viel größer: Es geht um einen Markt von 2,3 Milliarden Euro, wenn man alle Kleinbauern in Afrika mit einbezieht", prognostiziert CTA-Mann Toby Johnson.

170 Millionen Afrikaner bestellen ihre Felder so wie Al-Hassan. Bisher galten sie als wirtschaftlich hoffnungslose Fälle: Ihre Parzellen sind zu klein, es fehlt an Know-how und Kapital. Doch all das soll sich durch Apps wie "PaddyBase" ändern. Mit ihr erfassen Mitarbeiter von Reismühlen schon auf den Feldern sämtliche Daten: Ausmaß des Anbaugebiets, Aussaat, Ernte, Kreditsumme, Rückzahldatum. Daraus entsteht mit der Zeit ein verlässliches Profil von Kleinbauern wie Al-Hassan, der mit der Reismühle Tamana zusammenarbeitet.

Keine Kosten und mehr Produktion für die Landwirte

Ogundare betont die Vorzüge für Farmer und Aufkäufer: Umgehender Zugriff auf Daten, schnellere Bezahlung der Bauern, Verlässlichkeit und Transparenz. Und der Besitzer von Tamana, Saibu Braimah, kann den Erfolg in Zahlen fassen: "Mit unseren 4.000 Farmern haben wir in der abgelaufenen Saison so viel produzieren können, dass die Regierung uns jetzt einen Vertrag zur Belieferung von Schulen gegeben hat." Seine Produktion konnte Saibu dadurch auf 40 Tonnen pro Tag verdoppeln. Fast 350 Personen arbeiten inzwischen für ihn, die meisten von ihnen Frauen.

Noch ist "PaddyBase" ein Pilotprojekt, das von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt wird. Doch Programmierer Ogundare weiß bereits, wie die App sich in Zukunft finanzieren soll. Die nahezu mittellosen Bauern zahlen nichts, verspricht er. "Also arbeiten wir mit Banken zusammen, wo die Bauern Kredite beantragen können - wir übernehmen für die Banken die Bonitätsprüfung und die Kontrolle der Kreditnehmer, und dafür werden wir von ihnen bezahlt." In einem Land, wo es keine Schufa gibt, ist das Gold wert.



Nicht nur Banken, auch Düngemittel- und Pestizidhändler, Mittelsmänner, die Feldfrüchte aufkaufen, oder europäische Handelsketten, die nicht nur für ihre Bio- und Fair-Trade-Produkte einen genauen Herkunftsnachweis brauchen, sind an den Daten interessiert. Mit ihnen zahlen die Bauern, oftmals, ohne es zu wissen. Was das Geschäft so interessant macht: Bisher ist über Afrikas Kleinbauern kaum etwas bekannt. Selbst die genaue Lage und Größe der Anbaufläche wird mit Apps wie PaddyBase erstmals erfasst - dafür höchst exakt mit GPS-Daten.

Längst hat der Goldrausch auf Ghanas Feldern auch Branchenriesen wie SAP auf den Plan gerufen. In fünf, sechs Jahren kommen vermutlich 70 Prozent der Software-Lösungen von lokalen Entwicklern wie Michael Ogundare, glaubt Michael Pittelkow von SAP. "Es gibt bestimmte Komponenten, die wir bereitstellen können, aber drumherum gibt es eine Vielzahl von Lösungen, die lokal entwickelt werden." Auf sie ist SAP angewiesen.

Bezahlt wird mit Daten

Die Ideen der Softwareentwickler sind so vielfältig wie die Probleme auf afrikanischen Feldern: Sprechende Anleitungen, die Analphabeten beim Anbau helfen; Marktportale, die Preisvergleiche ermöglichen; eine Art Uber für Traktordientsleistungen. "Super-User" helfen den Bauern, die kein Smartphone haben. Bezahlt wird das alles mit Daten - und mit Entwicklungsgeldern, die in Pilotprojekte wie "PaddyBase" fließen.

Stefan Schmitz vom Bundesentwicklungsministerium, hält das Geld für gut angelegt: "Wenn wir eine kritische Masse von Start-Ups haben, dann lohnt es sich auch, vielleicht mehr Traktoren ins Land zu holen, und so kann eine Entwicklung in Gang gesetzt werden." Höhere Erträge pro Hektar, mehr Einkommen und damit eine ländliche Entwicklung insgesamt: Gerade junge Menschen hätten dann wieder Interesse an der Landwirtschaft. Reisbauer Mohammed Al-Hassan jedenfalls träumt bereits von einem Traktor, der die Hacke ersetzen soll. Dafür wird er einen Kredit aufnehmen.