Es klingt leicht angestaubt, ist es aber nicht: Ein rund 260 Seiten dickes Buch über "Chorkomponisten in Württemberg - 20 Porträts aus fünf Jahrhunderten". Schon der erste Blick ins Buch überrascht mit einer Aufteilung nach Landschaften. Und dann werden prominente Namen wie selbstverständlich neben unbekannte gestellt. So haben von Erasmus Widmann, nach dem auch Schulen benannt sind, und von Helmut Bornefeld sicher nicht nur Musikliebhaber gehört. Aber von Emilie Zumsteeg oder Samuel Friedrich Capricornus? Der Band erzählt Musikgeschichte, die häufig mit Kirchenmusik zu tun hat, jedoch nicht ausschließlich.
Die Stuttgarterin Emilie Zumsteeg beispielsweise (1796-1857) wird wie alle anderen Komponisten auch mit ihrer über die Kapitel gesetzten Unterschrift eingeführt. Ihr selbstbewusstes geschwungenes "Z" bestätigt, was Rainer Bayreuther und Michael Aschauer über die Komponistentochter schreiben: Sie war ein Beispiel für die damals wachsende Emanzipation der Frau im bürgerlichen Leben und hat die Chorszene ihrer Zeit in Stuttgart gestaltet. Sie brachte auch Musikbegeisterte aus verschiedenen Schichten zusammen, was damals nicht selbstverständlich war. Unter ihrer Leitung wurde Händels Oratorium "Messias" in Stuttgart erstmals aufgeführt.
Auf knappen sechs Seiten schaffen es die beiden Autoren, ein Bild der Zeit, die von der Revolution im nahen Frankreich geprägt war, mit der Lebensgeschichte von Emilie Zumsteeg zu vereinen. Dazu stellen sie zeitgenössische Bilder - auch ein Porträt.
Neuer Raum für den Choral
Der 1990 verstorbene Helmut Bornefeld, dessen plusminus 600 "Choralwerk" -Kompositionen zu seiner Zeit als sehr eigenwillig und schwer zu singen eingestuft wurden, wird ebenfalls vorgestellt als Komponist von Orgelstücken und Orgelplaner. Mit seinem "Choralwerk" wollte Bornefeld dem Choral "als dem kirchenmusikalischen Kerngut der evangelischen Kirche und einzigartigen Symbol ihres reformatorischen Charakters" neuen Raum schaffen. Im Alter kam er zu der Einsicht, dass die Hörgewohnheiten dem zuwiderlaufen. Er setzte deshalb dann auf die Orgel allein oder zusammen mit anderen Instrumenten und mit Sologesang.
In der Vita des Heilbronner Komponisten, Kapellmeisters und Chorleiters Robert Edler (1912-1986) spiegelt sich die Kriegs- und Nachkriegszeit. Der Komponist unter anderem des Chorlieds "Mein Baden-Württemberg" steht für eine Hoch-Zeit von meist nicht kirchlich angebundenen Laienchören bis in die 1980er Jahre.
Friedrich Silcher (1789-1860) dagegen hat den Grundstein gelegt für eben diese Laien-Chöre. Silcher ist Pädagoge, Kirchenmusiker und Volksliedsammler. Als Professor in Tübingen widmet er sich wissenschaftlich der Geschichte des evangelischen Kirchengesangs. Aber er legt auch Wert darauf, dass Volkslieder allen Menschen zugänglich sein sollen, und das in einer hohen musikalischen Qualität. Isabelle Métrope schreibt über Silcher, dieser sei "ein Wegbereiter der heutigen Musikvermittlung" gewesen.
Als Beitrag dazu versteht auch das junge Autorenteam seinen Band. Die Verknüpfung von Biografien und Zeitgeschichte mit Kompositionen, die in Beispielen auf einer beiliegenden CD zu hören sind, macht die Beschäftigung mit Chormusik wieder spannend. Das Konzept haben die Herausgeber Nikolai Ott und Rainer Bayreuther geprägt. Ott ist seit wenigen Wochen auf seiner ersten festen Stelle Bezirkskantor für den Kirchenbezirk Tübingen Land und Kantor in Mössingen. Bayreuther ist Musikwissenschafts-Professor an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen.