Vom Potomac River in den USA hat ihn sein Lebensweg über den Rhein an Spree und Havel geführt: Seit 2009 leitet Markus Dröge in Berlin die evangelische Landeskirche als Bischof. Er begibt sich mit Forderungen nach mehr Unterstützung für Flüchtlinge in die Öffentlichkeit und versucht, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und der AfD Grenzen zu setzen. Seit fünf Jahren gehört er auch dem Rat der bundesweiten Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an. Nun feiert der promovierte evangelische Theologe einen Monat vor seinem Ruhestand seinen 65. Geburtstag.
"Ich war ein ganz normaler kleiner amerikanischer Junge", hat Markus Dröge, der am 16. Oktober 1954 als Sohn eines Diplomaten in Washington D.C. geboren wurde, einmal seine Kindheit in den USA beschrieben: "Ich habe im Kindergarten Wahlkampf für Kennedy gemacht und ich kenne mich gut mit amerikanischen Süßigkeiten aus." In den USA hat er seine ersten sieben Lebensjahre verbracht.
Auch mit Berlin ist Markus Dröge bereits seit seiner Geburt verbunden. Seine Geburtsurkunde wurde vom Standesamt "Berlin 1" ausgestellt, das für im Ausland geborene Deutsche zuständig war. Kindheit und Jugend als Diplomatensohn mit Umzügen von Washington nach Bonn, Paris und Brüssel haben ihn dauerhaft geprägt. "Alle drei bis vier Jahre kommt innere Unruhe in mir hoch", hat er die Folgen einmal beschrieben. Dass er es trotzdem lange an einem Ort aushalten kann, hat er in den vergangenen Jahrzehnten als Superintendent in Koblenz und Bischof in Berlin bewiesen.
Ein Christ der Tat
Nach dem Studium in Bonn, München und Tübingen trat der Enkel eines SPD-Reichstagsabgeordneten 1983 in Koblenz als Vikar seinen ersten theologischen Dienst an. Danach hat er als Pfarrer in zwei Gemeinden der Stadt gearbeitet. Er ist mit einer Zahnärztin verheiratet, das Paar hat drei Kinder. Fünf Jahre lang hat Dröge in der rheinischen Kirche als Superintendent den Koblenzer Kirchenkreis mit damals 86.000 Mitgliedern geleitet und gehörte auch der rheinischen Synode an. Theologisch sieht er sich der Tradition der Barmer Theologischen Erklärung verbunden, mit der sich vor 85 Jahren die Bekennende Kirche in der NS-Zeit von den regimetreuen "Deutschen Christen" abgegrenzt hat.
Forderungen, die Kirche solle sich aus der Politik heraushalten, hat er vehement von sich gewiesen. Christsein müsse ein "Christsein der Tat" sein, hat der Bischof für rund 900.000 Protestanten in Ostdeutschland seine Überzeugungen zusammengefasst. Die Kirche müsse mit professioneller Diakonie "glaubwürdige Anwältin der Ausgegrenzten sein" und mit Kritik und Hilfe einschreiten, wo Menschen durch Armut ihre Würde geraubt werde. Und Politiker müssten dafür sorgen, "dass die Wirtschaft dem Leben dient".
In den vergangenen Jahren hat sich der Berliner Bischof für Reformen in der unter sinkenden Mitgliederzahlen leidenden Landeskirche stark gemacht. Manche Arbeitsbereiche müssten wohl künftig gemeinsam mit anderen Institutionen getragen werden, zum Beispiel der katholischen Kirche und auch nichtkirchlichen Trägern, hat er kürzlich in einem Interview gesagt. Ein gutes Beispiel dafür sei die Krankenhausseelsorge, die von den Krankenhausträgern mitfinanziert werde.
Der Politik hat er immer wieder die Leviten gelesen: Die gesetzliche Lage werde den Flüchtlingsproblemen nicht mehr gerecht, humanitäres Engagement allein wie das der Kirchen könne die Probleme nicht lösen, kritisiert Dröge: "Wir brauchen dringend eine stabile europäische Flüchtlingspolitik." Auch zur AfD hat der Bischof deutliche Worte gefunden: Der Rechtspopulismus sei ein "zivilisatorischer Rückschritt", betont er. Die "Lügengebäude der Rechtspopulisten" müssten mit klaren Worten entlarvt, die Menschenrechte und die Menschenwürde verteidigt werden.
"Nach außen bin ich sicherlich ein Bischof gewesen, der viel politisch Stellung genommen hat", hat Dröge kurz vor seinem Geburtstag in einem Interview gesagt. Das sei zwar nicht sein Ziel gewesen. Er habe jedoch gelernt, "dass es die Aufgabe des Berliner Bischofs ist, ein politischer Bischof zu sein". Diese Aufgabe habe er angenommen und auch gern ausgefüllt.
Auch im Ruhestand wird er zunächst weiter dem Rat der EKD angehören, Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung bleiben und weitere kirchliche Aufgaben übernehmen. Er freue sich jedoch auch auf die Aussicht, dann "nicht mehr nonstop diesen täglichen Mega-Stress zu haben", sagt er. Bisher sei seine Frau, die ihre Praxis in Koblenz hat, zwischen beiden Städten gependelt. Künftig werde er dies häufiger tun.