Mit zahlreichen Veranstaltungen ist am Montag ein Jahr nach dem Hamas-Überfall auf Israel an die Opfer erinnert worden. In Berlin startete am Brandenburger Tor bereits am frühen Morgen eine Lesung der Namen von 1.170 Ermordeten und 255 Entführten. Das Gedenken begann um 5.29 Uhr, dem Zeitpunkt des Überfalls der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier versicherte Israel die Solidarität Deutschlands. Zur Verantwortung des "Nie wieder" nach dem Holocaust gehöre, "an der Seite Israels zu stehen", wenn dessen Existenz bedroht sei, sagte Steinmeier bei einem interreligiösen Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich in Hamburg "immer noch erschüttert". Vor einer Gedenkzeremonie in der Hamburger Synagoge Hohe Weide am Montagabend sagte Scholz, es sei "bedrückend zu wissen", dass unverändert unzählige Menschen "in Gaza inhaftiert, als Geiseln gehalten werden". Der Kanzler erneuerte seine Forderung nach einem baldigen Waffenstillstand, der mit der Freilassung der Geiseln verbunden sei. Er räumte ein, dass Antisemitismus hierzulande "eine größere Rolle spielt als in den letzten Jahren" und versprach, alles dafür zu tun, dagegenzuhalten und sicherzustellen, dass jüdische Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sicher leben könnten.
Mit Blick auf den Nahost-Konflikt warnte Bundespräsident Steinmeier in Berlin "vor einer leichtfertigen Verurteilung Israels": "Die Toten in Gaza, den Hunger, die Zerstörung hätte es nicht gegeben ohne den Überfall und die Massaker vom 7. Oktober vergangenen Jahres." Unter den Gästen in der Kirche waren neben dem israelischen Botschafter Ron Prosor und dem Präsidenten des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, unter anderem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU).
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hob bei einer Gedenkfeier am Montagabend in der Ohel-Jakob-Synagoge in München hervor: "Israel braucht keine Ratschläge, wie es sich verhalten soll." Vielmehr brauche Israel "unseren Beistand und unsere Unterstützung". Jeder wünsche sich, dass die Waffen schweigen, sagte er mit Blick auf den sich ausweitenden Nahost-Konflikt. Aber Voraussetzung für Verhandlungen sei die Freilassung der Geiseln durch die Hamas. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte im Düsseldorfer Landtag: "Wir beobachten mit großer Sorge, wie der Terrorangriff der Hamas zu einem Flächenbrand einer ganzen Region und zu unermesslichem Leid für unzählige Zivilistinnen und Zivilisten geführt hat."
Der Berliner evangelische Bischof Christian Stäblein nannte im Gottesdienst in der Bundeshauptstadt das Töten und Morden der Hamas "unvorstellbar", "unaussprechlich" und "seit der Schoa einmalig". Er verwies auch auf das "Leid der Palästinenser" und der Menschen im Libanon: "All das Leid ist verantwortet von der Hamas und der Hisbollah", sagte Stäblein.
Der israelische Botschafter Prosor bezeichnete in Berlin den ersten Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel als schweren Tag für sein Land. Es gebe mehr als 100.000 israelische Flüchtlinge im eigenen Land. Im Fernsehsender Phoenix sagte er: "Wir haben keine Wahl. Wir müssen gewinnen, damit der einzige jüdische Staat in Zukunft existieren kann."
Schuster bezeichnete "Aufrufe zu offenen Israel-Hass-Protesten" rund um den Jahrestag als einen "Tiefpunkt der Menschlichkeit in unserer Gesellschaft". Wer angesichts des Jahrestags dieses grausamen Anschlages nicht in der Lage sei, wenigstens ein Stück Empathie für Jüdinnen und Juden, für die Menschen Israels, zu empfinden, der werde es nie tun "und der hat ein gewaltiges Problem", sagte er in Berlin.