"Wo Glaube beginnt, wird Gewissheit entstehen, wo Glaube gewagt heut, können Wunder geschehen!" Im Stehen singt die Gemeinde in der Nürnberger Adventisten-Gemeinde ihr erstes Lied im Gottesdienst. Es ist Samstagmorgen, 9.30 Uhr. Der Gemeindesaal ist schon zur Hälfte gefüllt. "Ich darf euch alle herzlich zum heutigen Gottesdienst begrüßen und wünsche uns einen gesegneten Sabbat", sagt Jugendpastor Franklin Schultheiß.
Nach den Begrüßungsworten und einigen Liedern schnappt sich jeder seinen Stuhl und es bilden sich fünf kleine Gesprächsgruppen. Es geht um das Thema "Barmherzigkeit". Der Gesprächsleiter fragt in die Runde, ob jemand in der vergangenen Woche Barmherzigkeit erlebt hat. Es werden Bibeltexte vorgelesen und Fragen dazu gestellt. Dann tritt der Pastor auf ein Podium, um mit seiner Predigt zu beginnen.
Kein Gottesdienst am Sonntag
Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten hält ihre Gottesdienste nicht am Sonntag ab, sondern immer schon samstags, dem "Sabbat". "In den zehn Geboten heißt es im vierten Gebot, 'gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst'", erklärt Schultheiß, "daran möchten wir als Adventisten uns halten". Die Bibel spiele für die Glaubensgemeinschaft eine tragende Rolle. Das habe mit der Gründungsgeschichte der Adventisten zu tun habe, erklärt der Theologe.
Als Geburtsstunde der Adventgemeinde wird die "große Enttäuschung" und damit das Ende der "Millerbewegung" 1844 aus den USA betrachtet. Der Laienprediger William Miller war damals zu der Überzeugung gelangt, das Ende der Welt und Jesus sichtbare Wiederkunft auf das Jahr 1844 festlegen zu können. Als diese Voraussage nicht eintraf, zerfiel die Bewegung, deren Mitgliederzahl schätzungsweise bei 100.000 Personen lag, in mehrere Denominationen.
Aus einer davon entwickelte sich die später weltweit vertretene Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, die ihren Fokus auf das Studium der Bibel setzt, erzählt Franklin Schultheiß. Die Bibel sei für sie die einzige Richtschnur des Glaubens. Weltweit gehören der Kirche heute 20 Millionen getaufte Mitglieder an.
In Nürnberg ist die Freikirche mit sechs Gemeinden vertreten. Die Adventgemeinde Nürnberg-Hohe Marter sei zahlenmäßig mit knapp 290 Mitgliedern die größte Adventgemeinde Bayerns, erklärt Pastor Schultheiß. Die Ortsgemeinden seien vor Ort sozial engagiert und würden auch eine eigene, staatlich genehmigte Grundschule betreiben, die Mose Schule Nürnberg.
Neben dem Halten des Sabbats zeigt sich die adventistische Glaubensüberzeugung noch in anderen Bereichen des Lebens. Besonderen Wert lege man auf die Gesundheitsbotschaft, erklärt Pastor Franklin. Das bedeute, dass eine gesunde Ernährung für die Mitglieder der Adventgemeinde eine wichtige Rolle spiele. "Als Kirche sprechen wir uns für einen Verzicht von Alkohol und Tabak aus. Wir glauben, dass Gott für uns ein langes, gesundes Leben vorgesehen hat und wir so auch einen besseren Draht zu ihm haben", sagt Schultheiß.
Ganz konkret finden die Adventisten ihre Speisegebote in der Bibel, erläutert der Jugendprediger. Die Speisegebote schreiben den Verzicht von Schweinefleisch, Meeresfrüchten und anderen als unrein bezeichneten Tieren vor, die sich im dritten Buch Mose im Kapitel 11 wiederfinden.
Einstehen für Glaubensüberzeugungen
Dass der adventistische Glauben nicht nur spirituelle Themen umfasse, sondern gerade auch solche praktischen und gesundheitlichen Aspekte mit einbeziehe, überzeugt Harald Dorn. Der 45-Jährige ist schon seit seiner Kindheit Mitglied der Gemeinde. Die Adventisten stünden sehr stark zu ihren Glaubensüberzeugungen, sagt der gebürtige Franke.
"Das bedeutet aber, dass man für seine Überzeugungen auch mal Dinge in Kauf nehmen muss". So konnte er an manchen Fortbildungen oder Arbeitsterminen, die am Samstag stattfanden, nicht teilnehmen, sagt er. Für Dorn ist die weltweite Präsenz eine Besonderheit der Freikirche. "Als ich auf Reisen in Neuseeland oder den USA am Samstag dort zur Kirche gegangen bin, wurde ich gleich herzlich von den Mitgliedern begrüßt und von manchen sogar nach dem Gottesdienst nach Hause eingeladen", erzählt er.
Ein 29-Jähriger kommt seit Anfang des Jahres regelmäßig in die Gemeinde. Das erste Mal hatte er vor sechs Jahren durch eine Freundin von den Adventisten gehört. Ihn beeindrucke vor allem die Nächstenliebe, die er in der Gemeinde erlebt. "Wenn ich mal bei etwas Hilfe brauche, sind sofort Leute bereit, mich zu unterstützen", sagt der Anlagenmechaniker. Seine Familie sei katholisch, erzählt er, aber über das Thema Religion werde nicht wirklich gesprochen. Dagegen lese man in der Adventisten-Gemeinde regelmäßig zusammen in der Bibel und suche nach Bezügen zum Alltag.
Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist seit 1993 Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland und seit diesem Jahr auch in der ACK Bayern. Die Adventgemeinde habe ihren Antrag dafür zusammen mit einer langen Stellungnahme eingereicht, die für den Aufnahmeprozess "sehr hilfreich" gewesen sei, sagt der Geschäftsführer der ACK Bayern, Georgios Vlantis: "Es war ein langer Prozess und es mussten Missverständnisse und Vorurteile abgebaut werden."
"Das Problem allgemein ist, dass man meistens übereinander und nicht miteinander redet", fügt der Theologe hinzu. Er sieht deshalb die beantragte Gastmitgliedschaft der Adventisten als gute Voraussetzung für ein stufenweises Kennenlernen. Nur so könne Vertrauen erst aufgebaut werden.