In der Frankfurter Pietät Schubert gibt es viele Urnen: Beschichtete, unbeschichtete, aus Holz, aus Naturkautschuk - Inhaber und Bestatter Denis Kraus hat für jeden Geschmack eine da. Seit einigen Jahren beobachtet er dabei zwei Trends, sagt er: "Den zur individualisierten und den zur ökologischen Bestattung". Die alten Urnen, die eine lange Zeit zum Abbau benötigen, wurden längst aus dem Verkaufsraum verbannt.
Jährlich sterben in Deutschland rund 900.000 Menschen, die alle irgendwie beigesetzt werden müssen. Die Möglichkeiten sind dafür in Deutschland auf eine klassische Erdbestattung, eine Feuerbestattung oder eine Seebestattung begrenzt. Hier fängt das Dilemma für Umweltbewusste aber bereits an: Welche Bestattungsform ist die beste?
"Die Umweltauswirkungen der verschiedenen Bestattungsformen sind sehr unterschiedlich", sagt Jörg Oehlmann, Professor im Bereich Biowissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt. Auf den ersten Blick falle der Einsatz von fossilen Brennstoffen bei einer Einäscherung negativ auf. Bei näherer Betrachtung sei eine Verbrennung der Leiche mit anschließender Bestattung auf einem Friedhof oder in einem Friedwald aber "eindeutig zu empfehlen", sagt Oehlmann.
Natürlich würden bei einer Einäscherung Treibhausgase wie CO2 freigesetzt, erklärt Oehlmann, "aber im Vergleich zu dem, was wir sowieso während unseres Lebens an CO2 produzieren, ist das vernachlässigbar". Die Menge der ausgestoßenen Treibhausgase bei einer Kremierung entspreche etwa der Menge, die ein Mensch zu Lebzeiten in einer Woche verursacht. "Selbst wenn sich alle Menschen, die in Deutschland sterben, verbrennen lassen würden, würden wir das in der gesamten CO2-Bilanz nicht sehen", sagt er.
Toxische Akkus
Der entscheidende Unterschied liegt laut Oehlmann daher im Anteil an Schadstoffen, die bei einer Urnen- oder Sargbestattung ins Erdreich gelangen. Im Laufe eines Lebens sammelten Menschen verschiedenste Fremdkörper wie Knie- und Hüftprothesen, Herzschrittmacher samt Akkus und Amalgamfüllungen im Körper an. Die Akkus enthielten toxische Schwermetalle, Amalgamfüllungen das giftige Quecksilber.
"Das war früher in den Krematorien ein großes Problem", sagt Oehlmann. In den 80er- und 90er-Jahren habe es eine große Quecksilberbelastung im Umfeld von Krematorien gegeben - bis die Regeln geändert wurde. In Deutschland trat 1997 die Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung in Kraft. Die Verordnung schreibt verbindliche Emissionsgrenzwerte für Krematorien vor, die zudem regelmäßig kontrolliert werden müssen. Krematorien sind daher heute mit Rauchgasreinigungsanlagen ausgestattet.
"Über das Rauchgas wird ein Großteil der Schadstoffe angeschlagen und man hat am Ende eine weitgehend unbelastete Asche", erklärt Oehlmann. In einigen Krematorien werden Herzschrittmacher zusätzlich vor der Einäscherung der Leiche oder spätestens nach der Verbrennung mithilfe eines Magneten entfernt. Auch künstliche Hüftgelenke und andere Implantate können so nachträglich entnommen werden.
Eine mögliche Belastung für den Boden sind laut Oehlmann auch die Rückstände von Arzneimitteln im Gewebe. Diese Stoffe könnten nach dem Tod nicht mehr abgebaut werden. Würde eine Leiche eingeäschert, sei das nicht weiter schlimm, sagt der Wissenschaftler: "Bei einer Verbrennung werden diese Stoffe komplett zersetzt und können abgefiltert werden."
Grundwasser in Gefahr
Anders sähe das bei einer klassischen Erdbestattung aus. Die medizinischen Hilfsmittel verblieben im Körper und würden mitvergraben, ebenso die Medikamentenrückstände. Laut Biowissenschaftler Oehlmann kann das schwerwiegende Folgen haben: "Dadurch, dass die Schadstoffe mit in den Boden kommen, kann es flächig zu einer Kontamination im Bereich der Friedhöfe und Friedwälder kommen", warnt er. Wenn unter einem Friedhof Grundwasser ansteht, könnten die Schadstoffe sogar bis in dieses vordringen.
Auf einigen Friedhöfen stoßen Bestatter seit einigen Jahren zudem nach der Ruhezeit nicht auf ein Skelett sondern auf mehr oder weniger noch vorhandene Leichen, sogenannte Wachsleichen. Die Gründe dafür sind vielfältig, die genaue Ursache für diese Verwesungsmüdigkeit des Bodens laut Oehlmann aber noch nicht bekannt. Schadstoffe, die aus den Leichen freigesetzt werden, könnten aber durchaus eine Rolle spielen, sagt er.
Deutlich werde dies am Beispiel des Schmerzmittels Diclofenac, sagt Oehlmann: Auf dem indischen Subkontinent, wo besonders die im Hinduismus heiligen Rinder mit dem Mittel behandelt werden, starb vor einigen Jahren fast die komplette Geierpopulation aus. "Die Rinder werden dort nicht verbrannt oder beerdigt, sondern offen auf dem Boden liegengelassen, bis sie von Geiern gefressen werden", erklärt Oehlmann. Die Geier als Endglieder der Nahrungskette seien daraufhin aufgrund von akutem Leber- und Nierenversagen durch das Diclofenac buchstäblich tot vom Himmel gefallen. Übertragen auf Deutschland könnte das ein Hinweis darauf sein, warum die Mikroorganismen und wirbellosen Tiere auf den Friedhöfen die Leichen nicht mehr so zersetzen wie früher.
Und was hält Oehlmann von der dritten Möglichkeit der Beisetzung, der Seebestattung? Die sei "problematisch", sagt er. Bei einer Seebestattung müssten mit einem Schiff größere Strecken zurückgelegt werden, da eine Urne nicht in Fischereigründen oder in einer Baderegion versenkt werden darf. "Da fallen dann erhebliche CO2-Emmissionen an", sagt er.
In Ländern, in denen es mehr Bestattungsmöglichkeiten gibt als in Deutschland, wird derweil an verschiedenen angeblich umweltfreundlicheren Ansätzen gearbeitet. Im US-Bundesstaat Washington sollen künftig Leichen kompostiert werden dürfen. Sobald die Kompostierung einsetzt, werden die menschlichen Überreste laut Entwicklern binnen weniger Wochen mithilfe von Mikroben abgebaut - mitsamt den Knochen. Übrig bleibe pro Leichnam etwa ein Kubikmeter Erde, die dann von Angehörigen mitgenommen werden kann.
In verschiedenen US-Bundesstaaten und kanadischen Provinzen ist zudem die Alkalische Hydrolyse erlaubt. Die Leiche wird dabei durch die Einwirkung einer starken Lauge praktisch aufgelöst - nach Angaben der Vereinigung Cremation Association of North America ist das wesentlich umweltfreundlicher als eine traditionelle Feuer- oder Sargbestattung in Nordamerika. Naturverbundene Amerikanerinnen und Amerikaner können sich zudem in künstlichen Riffen begraben lassen. Die Asche wird dafür mit Zement vermischt, um die Riffe herzustellen. Ziel ist es, neue Lebensräume für Meeresbewohner zu schaffen.
Asche als Dünger
Umweltfreundliche Alternativen gibt es auch in Nachbarländern Deutschlands wie den Niederlanden oder der Schweiz, wohin Pietätsinhaber Kraus schon öfter Urnen geschickt hat. Waldliebhaber können dort durch ihre Asche zum Nährboden eines Baumes werden, den sie sich vorher ausgesucht haben. Bei dieser Art der Bestattung fallen allerdings wieder die Emissionen für die Überführung an.
Entscheidender für ein nachhaltiges Lebensende ist laut Biowissenschaftler Oehlmann aber nicht die Bestattungsform an sich, sondern die Gestaltung der gesamten Beerdigung. Würden zum Beispiel die Trauergäste alle mit dem Flugzeug anreisen, wäre dies entschiedend schlechter für die Umwelt als eine traditionelle Erdbestattung.
Wie nachhaltig eine Beisetzung sein kann, ist laut Bestatter Kraus auch eine Finanzierungsfrage. Umweltfreundliche Särge und Urnen seien in der Regel teurer als die Standardmodelle. Es könne zudem zu Konflikten zwischen dem letzten Willen des umweltbewussten Verstorbenen und Angehörigen und Freunden kommen: "Will ich zum Beispiel meinen Verwandten verbieten, zu meiner Beerdigung zu kommen, nur weil sie herfliegen müssten?"
Die ältere Generation brauche zudem nach Erfahrungen des Bestatters häufig ein klassisches Grab und eine traditionelle Bestattungszeremonie für ihre Trauerbewältigung. Bestimmte Arten der Beisetzung wie die als Teil eines Korallenriffes oder die Kompostierung komme manchen Menschen außerdem pietätlos vor.
Dass Bestattungsformen wie die Kompostierung oder die Alkalische Hydrolyse nach Deutschland kommen, kann sich Bestatter Kraus nicht vorstellen. Das verhinderten nicht nur die Gesetze, sondern auch die gesellschaftlichen Normen für den Umgang mit Tod und Trauer. Nachhaltige Beisetzungen interessierten im Moment zudem hauptsächlich jüngere Menschen.