Andreas Voßkuhle
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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes mit dem Vorsitzenden Andreas Voßkuhle (2.v.l.) verhandelt über das kontrovers diskutierte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe.
Voßkuhle: Suizidhilfe ist hochemotionales Thema
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über das kontrovers diskutierte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Konkret geht es um Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs.
17.04.2019
epd
Christine Süß-Demuth

Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag über das Verbot organisierter Sterbehilfe verhandelt. Dies sei ein "hoch emotionales und seit jeher kontrovers behandeltes Thema", das mit existenziellen ethischen, moralischen und religiösen Überzeugungen verknüpft sei, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zum Auftakt der Verhandlung. Er betonte, dass es nicht um eine moralische oder politische Beurteilung der Selbsttötung gehe, sondern ausschließlich um die Verfassungsmäßigkeit einer konkreten Strafrechtsnorm.

Bis Mittwochabend werden sechs Verfassungsbeschwerden verhandelt, die sich gegen Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs richten, der die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellt. Sterbehilfe-Vereine, Einzelpersonen und Ärzte haben geklagt, weil sie Grundrechte wie die Berufsfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht verletzt sehen (AZ: 2 BvR 2347/15 u.a.).

"Das Recht auf Leben begründet keine Pflicht zum Leben", sagte Wolfgang Putz für die beschwerdeführenden Ärzte. Er bezeichnete das Recht auf Suizid als ein Grundrecht. Der Strafrechtsparagraf hindere Menschen nicht daran, sich das Leben zu nehmen, sagte Anwalt Bernd Hecker als Vertreter der Sterbehilfevereine. Durch das Verbot der organisierten Sterbehilfe könnten sie aber nicht im Bett sterben, sondern müssten zu drastischeren Maßnahmen greifen.

Dem Gesetzgeber gehe es darum, dass jeder Mensch in Würde sterben kann, sagte die Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese (SPD) in Karlsruhe. "Es geht uns um Hilfe beim Sterben, nicht um Hilfe zum Sterben". Eine sorgende Gesellschaft biete eine gut ausgebauten Hospiz- und Palliativversorgung.

Hinter dem Wunsch nach Sterbehilfe stehe selten ein klarer Todeswunsch, sagte der Psychiater Manfred Wolfersdorf (Bayreuth). Vielmehr sei die Suizidalität Ausdruck einer erheblichen Notlage und ein psychiatrischer Notfall. Dieser sei gekennzeichnet durch Ambivalenz sowie Hoffnungs- und Hilflosigkeit. Auffällig sei, dass überproportional viele Frauen assistierten Suizid in Anspruch nähmen.

Assisitierter Suizid als "hypothetischer Fluchtplan"

Nach Erfahrung der Palliativmedizinerin Gerhild Becker von der Uniklinik Freiburg schließt der Todeswunsch den Lebenswunsch nicht aus. Die Frage des Sterbenlassens werde von schwerstkranken Menschen wesentlich häufiger geäußert als der Wunsch nach ärztlich assistierendem Suizid. Letzterer werde oft nur als "hypothetischer Fluchtplan" gesehen.

Auch auf die Situation von Hinterbliebenen nach einem Suizid von Angehörigen haben Betroffene und Psychiater aufmerksam gemacht. Sie litten häufig unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Gründe dafür seien ein Gefühl der Mitschuld und Mitverantwortung sowie das Gefühl, soziale Normen gebrochen zu haben, sagte die Psycho-Onkologin Birgit Wagner (Berlin).

Für den Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, den evangelischen Theologieprofessor Peter Dabrock, wird sich an der Verhandlung zeigen, wie es in Deutschland mit der Lebens- und Sterbekultur weitergeht. Es gehe um viele existenzielle Schicksale, und darum, ob die Gesellschaft genug getan habe, "Suizid nicht als eine normale Option des Sterbens neben anderen zu sehen", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe auch um das Verständnis des ärztlichen Berufsstandes und die Frage, was ein guter Arzt in der Sterbephase tun und lassen soll.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, plädierte im NDR-Hörfunk dafür, "dass wir kein Leben aktiv beenden". Er sprach sich für weitere Verbesserungen in der Palliativversorgung aus. Entscheidend sei, wie Menschen begleitet werden und "Ärzte dafür sorgen, dass Menschen ohne Schmerzen sterben". Dies müsse überall zugänglich sein, sagte der bayerische Landesbischof.

Im Dezember 2015 war ein gesetzliches Verbot der "geschäftsmäßigen Sterbehilfe" in Kraft getreten. Nach dem neuen Paragrafen 217 des Strafgesetzbuchs macht sich strafbar, "wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt".