Die insbesondere von dem ehemaligen Chefarzt Willi Enke und später von Werner Grüter vorgenommene sogenannte "Pneumencephalographie", die als schmerzhaft und gefährlich gilt, sei teilweise ohne diagnostische Notwendigkeit für zweifelhafte Forschungen angewendet worden, sagte Hephata-Vorstand Maik Dietrich-Gibhardt am Donnerstag in Schwalmstadt. Das habe eine Untersuchung des Gießener Medizinhistorikers Volker Roelcke bestätigt.
Bei dem Verfahren wird der Schädel mit Luft gefüllt, um dadurch bessere Röntgenbilder zu bekommen. Die Methode an sich sei zwar durchaus sinnvoll gewesen, sagte Roelcke. Sie sollte wegen der damit verbundenen Gefahren nach Empfehlungen jedoch nur sehr zurückhaltend angewendet werden.
Roelcke hatte rund 2.000 Akten von Patienten und Heimbewohnern aus den 1950er bis 1970er Jahren ausgewertet. Im Klinikbereich sei demnach unter Enke bei fast jedem zweiten Hephata-Patienten eine PEG erfolgt, ohne dass es hierfür einen diagnostischen Grund gegeben habe, sagte Roelcke. "Enke wollte herausfinden, ob Verhaltensauffälligkeiten organische Ursachen im Gehirn haben", erklärte er.
Die genaue Zahl der von solchen Forschungen betroffenen Patienten ist nicht bekannt, weil viele Akten nicht mehr vorhanden seien, sagte Roelcke. 23 Fälle konnten jedoch namentlich identifiziert werden. "Die tatsächliche Zahl dürfte aber um ein Vielfaches höher liegen", sagte der Medizinhistoriker. Enke selbst habe in einem Beitrag für eine medizinische Fachzeitschrift, dessen Inhalt allerdings äußerst zweifelhaft sei, von rund 800 Fällen geschrieben.
Die Filmemacherin Sonja Toepfer, die im Auftrag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau das Leiden von Heimkindern aufarbeitete, war bei ihren Recherchen auf entsprechende Hinweise gestoßen. Hephata hatte daraufhin Roelcke im Februar 2018 mit der Untersuchung beauftragt.