Der Fischerjunge muss sich entscheiden: Sammelt er Geld für ein neues Fischernetz oder kürzt er den Spielverlauf ab und stiehlt es? Von seiner Entscheidung hängt ab, wie die Geschichte des Adventure-Games "One of the 500" weitergeht. Einen eindeutig "guten" oder "bösen" Weg gebe es dabei nicht, sagt Entwickler Amin Josua (31). Manchmal komme der Spieler mit moralisch verwerflichen Lösungen durch, manchmal müsse er sich später dafür verantworten.
"One of the 500" ist zur Zeit Jesu verortet, Schauplatz sind Geschichten aus dem Evangelium. Der Titel geht zurück auf eine Bibelstelle. Aber um welche 500 es sich handelt, müssen die Spieler selbst herausfinden, sagt Josua. Das Spiel solle einen Überblick über die Worte und Ereignisse rund um Jesus geben, dabei aber nicht "teachy-preachy", also moralisierend und belehrend, sein, sondern die Spieler moralisch, ethisch und spirituell herausfordern. Der Startup-Gründer sitzt auf einem roten Sofa in einem Stuttgarter Coworking-Gebäude, wo er und sein vierköpfiges Team jüngst ein Büro bezogen haben. "Viele Menschen interessieren sich dafür, welche Rolle Jesus für Christen und ihre Alltag spielt", ist der langjährige Zocker überzeugt.
Das Spiel greife biblische Lebensfragen auf, die heute noch gesellschaftlich relevant seien. "Etwa die Frage, wie ich mit meinen Feinden umgehe oder mit der Stigmatisierung gesellschaftlicher Gruppen." Außerdem soll historisches Wissen vermittelt werden, beispielsweise wie es vor 2.000 Jahren am See Genezareth aussah. Dafür setzt Josua auf hochprofessionelle Grafik, die säkularen Spielen in nichts nachstehen soll.
Die Idee, ein Spiel zu entwickeln, kam Josua, als er in einem Schülerprojekt fragte, wie Kirche für Jugendliche wieder relevant werden könne. Ein Schüler antwortete: "Die einzige Chance, dass ich mich mit biblischen Inhalten auseinandersetze, wäre, dass ich sie zocken kann." Da habe es bei ihm "geklingelt", denkt Josua zurück. "Digitale Spiele sind eine Kommunikationsstruktur, die sehr viele Menschen nutzen." Eine Kommunikationsstruktur, die von Kirche und Christen bislang weitestgehend brach liegen gelassen werde.
Spielend lernen
Laut "game", dem Verband der deutschen Games-Branche, zocken rund 34 Millionen Deutsche digitale Spiele, ihr Durchschnittsalter liegt bei 36 Jahren. Das gesellschaftliche Image von Games habe sich gewandelt, sagt Verbandsgeschäftsführer Felix Falk. Sie würden heute ganz selbstverständlich als Kulturgut, Wirtschaftsfaktor und Innovationstreiber wahrgenommen.
Zudem seien Computer- und Videospiele ein sehr gutes Lehr- und Lernmedium, erläutert Falk. "Sie sind interaktiv und können auch zusammen gespielt werden, was den Lernerfolg deutlich steigern kann." Ob und wie gut ein Spieler lerne, hänge von verschiedenen Faktoren ab: "Je besser die Spieler motiviert werden, desto besser vermitteln sich auch die Inhalte."
Für Josua ist es außerdem wichtig, dass seine Zielgruppe Interesse am Thema mitbringt, sagt er. Nach dem Schülerprojekt präsentierte er seine Idee dem Digitalisierungsprojekt der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Und was damals als "müsste man mal machen" begann, wurde rasch immer größer: Zweimal flog der Familienvater in die USA zur Christian Game Developer Conference nach Portland.
Dort knüpfte er Kontakte zu einem Produktionsstudio. Die Landeskirche stellte eine Startfinanzierung von 300.000 Euro zur Verfügung. Als jüngsten Coup konnte Josua den Schriftsteller Titus Müller, bekannt für seine historischen Romane, als Writer, Schreiber für das Computerprogramm, gewinnen. "Es hat sich herausgestellt, dass Müller auch gerne zockt", freut er sich.
Die Gesamtkosten für Entwicklung, Produktion und Marketing schätzt der Gründer auf rund sieben Millionen Euro. Nun gilt es, Investoren zu finden. Auch weitere Mitarbeiter werden gesucht. "One of the 500" soll einmal den weltweiten Markt erobern, sagt Josua selbstbewusst. Noch ist nicht sicher, wo die Reise hingeht und ob alles so läuft, wie er sich das vorstellt. Aber der gläubige Christ ist zuversichtlich. In den vergangenen anderthalb Jahren habe sich so viel ergeben und gefügt: "Das kann kein Zufall sein."