Verlässlich, vertrauensvoll und äußerst liebenswürdig - so beschreibt Nikolaus Schneider, früherer Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), den ehemaligen Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Der 1938 im heutigen Serbien geborene Donauschwabe Zollitsch erklomm erst spät Spitzenämter in der katholischen Kirche: Mit 64 Jahren wurde er 2003 Erzbischof von Freiburg. 2008 folgte das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, das er bis 2014 bekleidete. Am 9. August wird Zollitsch 80 Jahre alt.
Wie Zollitsch einmal in einer TV-Sendung erzählte, wurde sein Glaube schon früh geprüft. Als Kind wurde er Zeuge, wie sein 16-jähriger Bruder und über 200 weitere Männer seines Dorfes im heutigen Serbien 1944 von Tito-Partisanen hingemetzelt wurden. "Damals habe ich mich gefragt: 'Wo ist Gott?'", so Zollitsch. Doch er habe im Laufe seines Lebens immer wieder erfahren dürfen, dass Gott da ist.
Nach der Flucht kam die Familie 1946 nach Baden. Zollitsch studierte Theologie in Freiburg und München und erhielt 1965 die Priesterweihe, 1974 promovierte er. Anschließend leitete er das Freiburger Priesterseminar, das Collegium Borromaeum, und war als Personalreferent tätig. 2003 wurde Zollitsch Oberhirte des Erzbistums Freiburg.
Keine fünf Jahre später wählten die katholischen deutschen Bischöfe ihn zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Laut Schneider sagten der damalige badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer und der noch amtierende württembergische Landesbischof Frank Otfried July anlässlich seiner Wahl: "Macht euch keine Sorgen um die Ökumene. Er ist ein Mann, dem wir vertrauen können." Zollitsch sei so tief in seinem Glauben verwurzelt, dass er souverän und freundlich mit den Unterschieden zwischen den beiden Kirchen umgehen konnte, berichtete Schneider, der von 2010 bis 2014 EKD-Ratsvorsitzender war.
Manchmal überraschte der Kirchenmann Zollitsch, der sich selbst als "im guten Sinne konservativ" bezeichnete, mit vergleichsweise liberalen Aussagen. So erklärte er im Februar 2008 in einem "Spiegel"-Interview, dass es beim Thema "Zölibat" keine Denkverbote geben sollte. Die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit sei "theologisch nicht notwendig."
2013 veröffentlichte die Erzdiözese Freiburg Seelsorge-Leitlinien zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedener - und sorgte damit für große Aufregung in der Kirche. Zollitsch erklärte dazu, dass die Kirche eine Antwort darauf geben müsse, dass 30 bis 40 Prozent der Ehen scheiterten und die Partner neue Verbindungen eingingen.
In Zollitschs Amtszeit fielen der Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI., die Affäre um den teuren Residenzbau des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst und die Missbrauchsskandale. Das Bekanntwerden von zahlreichen sexuellen Übergriffen katholischer Geistlicher führte zu einer Vertrauenskrise und einer Kirchenaustrittswelle. In einem Interview erklärte Zollitsch später, er betrachte den Missbrauchsskandal als Tiefpunkt seiner sechsjährigen Amtszeit. Als Reaktion darauf verschärften die deutschen Bischöfe Leitlinien, richteten eine Hotline ein, ernannten einen Missbrauchsbeauftragten und beschlossen, eher symbolische Zahlungen an die Opfer. Zudem rief Zollitsch einen bundesweiten Dialogprozess auf allen kirchlichen Ebenen ins Leben.
2013 reichte er seinen altersbedingten Amtsverzicht ein. In einem Brief an die über 1.000 Gemeinden seines Erzbistums schrieb Zollitsch, er sei "dankbar für die zurückliegenden Jahre, auch wenn manche Sorge mich bedrückte." Dabei nannte er "vor allem die Sorge um die zurückgehende Zahl an Gottesdienstbesuchern und Priestern" und den "Schmerz um Menschen, die - aus ganz unterschiedlichen Gründen - unserer Kirche enttäuscht den Rücken kehren".
Auch nach dem Rücktritt von seinen Ämtern äußert sich Zollitsch immer wieder zu gesellschaftspolitischen Fragen. "Einige Werte sind nicht aufhebbar. Dazu zählen Solidarität und die Achtung vor dem Nächsten, auch wenn dieser nicht die gleiche Meinung vertritt", sagte der Theologe bei einer Diskussionsrunde im Düsseldorfer Landtag 2017.