"Sammelt Euch nicht Schätze auf der Erde", sagt Jesus in der Bergpredigt. "Wo sie der Rost und die Motten zerfressen, und wo die Diebe kommen. Sondern sammelt Euch Schätze im Himmel." Andererseits heißt es im Psalm 112: Wer Gott fürchtet, der wird Reichtum erhalten. Auf den ersten Blick äußert sich die Bibel zum Geld uneinheitlich. Wenn man aber genauer hinsieht und die Stellen vergleicht, ergibt sich daraus sehr wohl eine einheitliche Lehre: Von Anfang an ist in der Bibel das Gebet der Ausgangspunkt für alles, was mit Beruf und Geld zusammenhängt. Gott erteilt dem Menschen im Gebet eine Aufgabe. Der Fromme nimmt diese Aufgabe an. Und Gott erteilt ihm dann die Mittel, die erforderlich sind, um diese Aufgabe gut zu erfüllen.
Jesus und seine Jünger lebten in Gütergemeinschaft. Sie kleideten sich einfach, lebten vom Obst- und Gemüseanbau. Im Matthäus-Evangelium fragt ein Reicher Jesus, wie er in das Reich Gottes komme. Jesus antwortet: "Halte die Zehn Gebote. Willst Du aber vollkommen sein, so gib alles, was Du hast, den Armen und folge mir nach!" Daraus haben Theologen in der Urkirche zwei Möglichkeiten abgeleitet. Eine schlichte Besitzmoral: Ein Christ befolgt die Zehn Gebote, darf aber weiter privat besitzen. Und eine strenge Moral: Ein Christ gibt seinen gesamten Besitz ab und lebt in der Gütergemeinschaft.
Die ersten Christen hielten sich zumeist noch an die strenge Moral. Im Jahr 320 war der christliche Klerus im römischen Reich bereits eine staatlich anerkannte Korporation. Adelige und Grundbesitzer bekehrten sich zum Christentum. Sie lebten zuvor von den Einnahmen ihres Grundbesitzes und hielten sich Sklaven. Waren sie zu Christen bekehrt, traten sie einer Gemeinde oder einem Orden bei. Sie gaben ihren Besitz dem Orden ab, um ihre früheren Sünden auszugleichen. Auf diese Weise gelangten zwischen den Jahren 300 und 800 zahlreiche Häuser und Burgen und ganze Landstriche in den Besitz der Kirche. Ein riesiges Kirchengut entstand und um Rom ein eigener Kirchenstaat. Die Kirche durfte allerdings keinen Zins nehmen. Das war laut kanonischem Recht verboten. Von Anfang an war die Kirche aber wirtschaftlich in das politische Lehnswesen Europas eingeflochten.
Im 13. Jahrhundert gab es in Städten wie Nürnberg, Augsburg, Leipzig und Straßburg ein selbstständiges Bürgertum und frühe Formen des Kapitalismus. Viele Menschen fragten nach der Seligkeit, und die Kirche antwortete. In der Regel beschränkten sich die meisten Christen auf die Zehn Gebote. Im Laufe des Spätmittelalters lebten zunehmend mehr Christen in den Städten. Sie bestimmten die Theologie mit, wollte behagliche Erlösungslehren, keine waghalsigen. Thomas von Aquin (1225-1274) stimmte dieser Verzahnung von Kirche und Welt zu. Er war zentraler theologischer Denker dieser Zeit. Viele schrieben von ihm ab oder zitierten ihn. Neue Ideen entstanden kaum.
In den Städten waren die Menschen gelähmt von der Pest, sie forderte allein in der Zeit von 1348 bis 1351 in Europa 25 Millionen Opfer. Daneben grassierten Typhus und Ruhr. Der Hundertjährige Krieg tobte zwischen den englischen Plantagenets und den französischen Valois (1337-1453). In den Straßen häuften sich die Kadaver. Die Überlebenden fragten: Wie werde ich selig? Welchen Sinn haben Leid und Tod? Eine gefühlsbetonte Volksfrömmigkeit beherrschte große Teile der Bevölkerung. Die Menschen ballten sich in den Städten und erlebten massenhaft die gleichen Schicksale. Sie suchten Antworten, in dem sie sich an Wallfahrten beteiligten und suchten Zuflucht in Wundertaten und Reliquienmuseen.
Der Klerus war sittlich korrupt. Er missachtete das Zinsverbot. Viele Bischöfe und Äbte ruhten sich auf ihren Pfründen aus. Sie übergaben die Seelsorge an unausgebildete Vertreter aus dem Bürgertum - In Worms gehörte Ende des 15. Jahrhunderts jeder zehnte Bürger dem geistlichen Stand an. Diese Vertreter hatten oft kein Interesse, gute Seelsorge zu leisten. So entstand ein "geistliches Proletariat". Und die Kirche brauchte dringend Geld, um diese Mitarbeiter auszuhalten.
Zunächst waren Kreuzzüge der Weg zum Seelenheil gewesen. Schon 1215 hatte Rom dazu eine Variante eingeführt: es reichte, einen Kreuzfahrer auszurüsten. Dann baute die Kirche den Ablass aus: Die Bürger zahlten ihn, um nach ihrem Tod die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen. Im 15. Jahrhundert kostete Seelenheil, also eine Ablasspredigt, Geld. Dafür vergab die Kirche jetzt sogar die Sünden. An dieser Form nahm Martin Luther Anstoß.
Theologisch stellte er die ursprüngliche Einheit zwischen Gebet und Geld in den Jahren 1512 bis 1518 wieder her. Als Professor für Theologie in Wittenberg fragte er: Wie soll man die Bibel lehren und anwenden? Er löste sich allmählich von der starren Auslegungsmethode der mittelalterlichen Kirche. Er befragte die Bibel wieder nach ihrem ursprünglichen Aussage-Gehalt.
Luther sagte: Glaube sei die volle, vertrauende und ungeteilte Hingabe an Gott und sein Heil. Buße sei kein einzelner Akt, sondern die Gesinnung des Christen selbst. In der Zuversicht auf Gottes Barmherzigkeit. Der Mensch könne sich die Seligkeit nicht in einem Akt erkaufen. Aber der Ablass-Kauf wäre gerade ein solcher Akt. Luther schloß, der Ablass müsse wegfallen. In derselben Weise verurteilte Luther den Zinsverleih: Kredit verleihen sei keine Arbeit. Denn der Bankier ruhe sich auf seinem verliehenen Kredit aus. Damit werde sein Geldverdienen zum Selbstzweck.
Wenn Luther betete, erfuhr er: Das Evangelium ist Erscheinung und Geschick Christi. Das Kreuz ist reales Geschehen. Gott ist in Jesus Mensch geworden. Weil Jesus für die Sünde des Menschen gestorben ist, ist der Mensch von der Sünde erlöst. Das heißt in Bezug auf Geld: Die Bibel gibt keine starren Gebote oder Verbote, es kommt auch hier auf die Gesinnung an.