Das vorläufige Ergebnis des Bundeswahlleiters zeigt folgende Stimmenverteilung:
CDU 26,8 % (-7,3)
CSU 6,2 % (-1,2)
SPD 20,5 % (-5,2)
AfD 12,6 % (+7,9)
FDP 10,7 % (+5,9)
DIE LINKE 9,2 % (+0,6)
GRÜNE 8,9 % (+0,5)
Sonstige 5,0 % (-1,2)
Die Wahlergebnisse und die Aussagen der Spitzenpolitiker am Wahlabend deuten darauf hin, dass die CDU/CSU Verhandlungen über eine "Jamaika"-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen aufnehmen wird. Das Wahlergebnis ist ein Rekord-Verlust für die CDU/CSU, die 2013 mit 41,5 % die Bundestagswahl gewonnen hatte. Auch die SPD fährt das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten waren bisher 23 % (2009).
CDU-Vorsitzende Angela Merkel zeigte sich knapp eine Stunde nach dem Schluss der Wahllokale enttäuscht vom Wahlergebnis. Die Union habe aber ihre "strategischen Wahlkampfziele" erreicht: "Wir haben den Auftrag, eine Regierung zu bilden, und gegen uns kann keine Regierung gebildet werden."
CSU-Chef Horst Seehofer nannte das Wahlergebnis "eine herbe Enttäuschung", sowohl das gemeinsame Ergebnis der CDU/CSU als auch das Ergebnis der CSU in Bayern. Man müsse "die rechte Flanke schließen", mit "klarer Kante und klaren politischen Positionen", sagte Seehofer.
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, sagte im ZDF, die SPD werde in die Opposition gehen. Das sei innerhalb der Parteiführung so besprochen. Die große Koalition wird voraussichtlich nicht fortgesetzt, Martin Schulz werde aber Parteivorsitzender bleiben, sagte Schwesig. Mehrheiten gäbe es für die so genannte Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen. "Es ist kein Regierungsauftrag, den wir mit diesem Ergebnis bekommen haben", bekräftigte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil im Interview mit dem ZDF. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ergänzte, die SPD wolle auch nicht Alexander Gauland (AfD) als Oppositionsführer sehen.
SPD-Vorsitzender Martin Schulz sagte am Wahlabend in Berlin, die SPD habe es nicht geschafft, ihre traditionelle Wählerbasis zu stärken und zu erhalten. Die Wahl habe sie "krachend" verloren. Der Parteivorsitzende bekräftigte, dass die SPD in die Opposition gehe. Den Einzug der AfD in den Bundestag nannte Schulz eine "Zäsur", weil erstmals eine rechtsextreme Partei in Fraktionsstärke in den deutschen Bundestag einzieht. Die SPD sei "das Bollwerk der Demokratie in diesem Land", so beschrieb der Parteivorsitzende die Rolle der SPD in der Opposition.
FDP und Grüne bereit zu Regierungsverhandlungen
Für die FDP bedeutet dieses Wahlergebnis den Wiedereinzug in den Bundestag, nachdem die Liberalen 2013 nicht über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen waren. Auch die Grünen legen zu im Vergleich zu 2013, ebenso wie die Linke. Die AfD zieht zum ersten Mal in den Bundestag ein.
Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt stellte in ihrer ersten Rede am Wahlabend in Aussicht, dass die Grünen sich an einer Regierung beteiligen könnten. Es würden schwierige und komplizierte Gespräche, "wir sind kein einfacher Partner", sagte Göring-Eckardt.
Christian Lindner, FDP-Spitzenkandidat, freute sich über den Wiedereinzug seiner Partei in den Bundestat: "Ab jetzt gibt es wieder eine Fraktion der Freiheit", sagte er.
In den Umfragen vor der Wahl hatten die kleineren Parteien hinter CDU und SPD alle in etwa gleichauf gelegen. Das Abschneiden der rechts-nationalistischen "Alternative für Deutschland" (AfD) wurde mit Spannung erwartet. Eine Regierungsbeteiligung der AfD hatten alle anderen Parteien bereits vor der Wahl ausgeschlossen.
Alexander Gauland (AfD) kündigte im ZDF-Interview an, "klare Oppositionspolitik" zu machen. Bei der AfD-Wahlparty in Berlin sagte Gauland, die AfD werde die künftige Bundesregierung "jagen": "Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen."
Dietmar Bartsch (Linke) sagte mit Blick auf die AfD, es sei "ein Skandal", wer alles in den Bundestag einzieht: "Das sind Rassisten, das sind Fremdenfeinde, und sie werden weiter unsere Gegner bleiben."
Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Bundeswahlleiters bei 76,2 %. Zur Wahl aufgerufen waren 61,5 Millionen Deutsche. 2009 gingen mit 70,8 % der Wahlberechtigten die wenigsten Menschen seit 1949 zur Wahl, 2013 waren es mit 71,5 % die zweitwenigsten.
Merkel zur Koalitionsfrage: "Das kann man morgen klären"
Nach der Wahl ist vor der Wahl: In der Berliner Runde in der ARD wurden nach einem oft konturlosen Wahlkampf der beiden Volksparteien doch noch die Ellenbogen ausgefahren. SPD-Chef Martin Schulz griff CDU-Chefin Angela Merkel scharf an und erteilte auch in der "Elefantenrunde" der Neuauflage der großen Koalition eine deutliche Absage. Mit diesem Ergebnis sei für ihn die Koalition zwischen Union und SPD abgewählt worden. Merkel blieb in dieser Frage gelassen und sagte in der ARD-Runde dazu: "Das kann man ja morgen nochmal klären."
Auch wenn Christian Lindner von der FDP sich nicht klar zu "Jamaika" äußern wollte, wies er darauf hin, dass sich seine Partei klar zum Pariser Klima-Schutzabkommen bekenne, nur dass der Weg dorthin sich von dem der Grünen unterscheide. Er hob hervor, dass es mit dem Wiedereinzug der FDP in den Bundestag, nun endlich wieder eine Stimme für den Mittelstand im Parlament gebe.
Neben der möglichen Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen ging es vor allem auch um den künftigen Umgang der Parteien mit der AfD im Bundestag, die als drittgrößte Fraktion dort einziehen wird. Dass es in Zukunft darum gehen müsse, die demokratischen Kräfte im Parlament zu stärken, darin waren sich die Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Linken, Grünen und FDP einig. Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt konstatierte, man habe das Thema AfD zu groß werden lassen. Zur parlamentarischen Auseinandersetzung mit der AfD sagte sie: „Es ist ein guter demokratischer Brauch, sich im Parlament auf Sachebene auseinanderzusetzen. Aber wir lassen uns auf keinen Fall jede unserer Debatten von der AfD bestimmen.“
Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen seinerseits kritisierte eine fehlende Opposition in den letzten vier Jahren. Als AfD wolle man hier ein deutliches Zeichen setzen und dieses "Vakuum" ausfüllen. Als Themen für seine Partei benannte er angebliche Rechtsbrüche in der Europapolitik und der Migrationspolitik.
Linken-Chefin Katja Kipping betonte, dass ihre Partei die einzige gewesen sei, die im Wahlkampf soziale Themen wie Altersarmut, Pflege und Wohnungsnot auf die Agenda gebracht habe. Dass in dieser Wahl das erste Mal seit 1990 das Mitte-Links-Lager unter 40 Prozent gesunken ist, sei in den nächsten vier Jahren die größte Herausforderung für die Arbeit der Opposition.