Religionsfreiheit ist ein hohes Gut - die Vertreter der drei abrahamitischen Religionen auf dem Podium am Freitag des Kirchentags in der Universität der Künste in Berlin waren sich darin einig. Die Professorin für Evangelische Theologie, Claudia Janssen, beklagte, dass sich in Deutschland die Menschen dessen jedoch nicht mehr sicher sein könnten, ja, sogar die Menschenrechte stünden für einige offensichtlich zur Disposition: "Menschenrechte gelten nicht für alle in unserer heutigen Gesellschaft, in unseren Kirchen; wir hören viele antijüdische und antimuslimische Stimmen."
Während des Podiums "Gottes Gebote übersetzt in den säkularen Raum" sollte es um die Aushandlungsprozesse gehen, die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der Gegenwart mit dem deutschen Staat führen. Schnell lenkte sich die Diskussion auf das von der AfD geforderte Verbot des Schächtens. Der Jurist Heinrich de Wall wies daraufhin, dass es für muslimische und jüdische Gemeinschaften dafür bisher Ausnahmeregelungen gäbe, da dass Schächten in Deutschland gesetzlich verboten sei. "Nichts ist festgeschrieben: Die Gesetze gelten, bis die Menschen eines demokratischen Staates sich über eine neue Norm verständigt haben." Die Aufgabe der Religionen sei es dabei, Stellung zu beziehen, damit der Staat die Praxis der jeweiligen Religion oder Weltanschauung garantieren könne.
"Würde es, wie auch in den Niederlanden, zu einem Verbot des Schächtens kommen, würde es sicherlich Proteste der jüdischen Gemeinde geben", sagte Rabbinerin Gesa Ederberg, die der Jüdischen Gemeinde in Berlin vorsteht. "Im Judentum gelten die 613 jüdischen Gebote als von Gott gegeben." Hakki Arslan, der als Islamischer Theologe an der Universität Osnabrück zum Thema "Religiöse Normen in der Moderne. Zum wandelbaren und statischen Teil des Islam" forscht, wies daraufhin, dass nur wenige muslimische Verbände in Deutschland eine Sondergenehmigung hätten, ohne elektrische Betäubung zu schächten. Das islamische Recht habe zwar einen göttlichen Ursprung in der Offenbarung, doch seien die vielen daraus entstandenen Gebote und Normen von Gelehrten abgeleitet und somit stets der Zeit unterworfen.
Die Diskutanten waren sich schnell darüber einig, dass das Schächten ein Scheinthema sei, dass die antiislamische und antijüdische Stimmung im Land spiegele. Für eine starke Demokratie sei es wichtig, dass die Religionen laut und ohne Sanktionen ihre Positionen vertreten dürften. Moderator Harmut Rhein zitierte Jürgen Habermas' Satz von den "Tendenzen einer entgleisenden Modernisierung", nachdem der Säkularisierungsprozess nicht nur mit Gewinnen, sondern auch mit Verlusten und Gefährdungen einhergehe. Es sei gefährlich für die Demokratie, würden Religionen unterdrückt: "Das Nicht-Wissen über Religionen ist Quelle für Ängste und Misstrauen", sagte Rabbinerin Gesa Ederberg. Religiöse Bildung von Kindern sei deshalb schon im Kindergarten wichtig.
Moderator Harmut Rhein zitierte eine Studie, derzufolge nur noch die Hälfte der Jugendlichen Europas die Demokratie für die beste Staatsform halten. Daraufhin fragte er seine Gäste, was die Religionen tun könnten, um die Demokratie zu schützen und zu stützen? "Die religiösen Gemeinschaften liefern ehrenamtliches Engagement in allen Bereichen", antwortete Gesa Ederberg. Zudem sei das Erfahren stabiler und verlässlicher Gemeinschaften, dass sowohl Gemeinden als auch familiäre Netzwerke böten, ein wichtiger Faktor für gelingendes Zusammenleben in einem Staat. Claudia Janssen definierte die Aufgabe der Christen für ein gelingendes Zusammenleben mit den Worten Dorothee Sölles: "Christus hat keine anderen Hände als unsere" und sagte, sie wünsche sich mehr Verständigung unter den Religionen, um gemeinsam Rechte aushandeln zu können.
Auch die Muslime in Deutschland hätten einiges zu einem friedlichen Zusammenleben beizutragen, sagte Hakki Arslan: "Die Gemeinschaft der Gläubigen hat Verantwortung; der uns Muslimen gegebene Auftrag lautet, Barmherzigkeit in die Welt zu bringen. In unserem Handeln und Reden."
Das Fazit der Runde: Um das Recht auf Freiheiten jeglicher Art zu erhalten, müssen die Menschen mutig sein und von ihren Freiheiten Gebrauch machen. Nur so könne der Pluralismus der Gesellschaft und damit die Demokratie erhalten bleiben und eine gute Staatsform für die Menschen sein.