Der ehemalige US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben mehr Einsatz für demokratische Werte gefordert. "Die Weltordnung befindet sich am Scheideweg", sagte Obama am Donnerstag bei einer Diskussionsrunde mit Merkel beim evangelischen Kirchentag in Berlin. Rund 70.000 Menschen waren zu der Veranstaltung am Brandenburger Tor gekommen. Bei seiner Ankunft wurde Obama jubelnd empfangen.
Der Ex-Präsident sagte, Prinzipien wie der Rechtsstaat, die Würde des Einzelnen, die Pressefreiheit, die Freiheit der Religionen und eine globale Marktwirtschaft seien nicht selbstverständlich, sondern müssten verteidigt werden. Mit Blick auf zunehmende nationalistische und antidemokratische Strömungen müsse man sich hinter die Grundrechte stellen.
Merkel und Obama sprachen sich beide für mehr Anstrengungen für den Frieden in der Welt aus. "Abrüstung muss auf der Tagesordnung bleiben", sagte Merkel: "Krieg bleibt immer Krieg." Eine militärische Auseinandersetzung dürfe immer nur das letzte Mittel sein. Mit Blick auf den Kampf gegen Terror hob die Kanzlerin hervor, dass es sich hierbei um eine neue Art der Kriegsführung handele. Man habe es mit Gegner zu tun, die die westliche Art zu leben ablehnten und selbst nicht mehr leben wollten.
Obama betonte, dass die Staatenlenker in Kriegsländern sich selbst stärker für ein Ende der Konflikte einsetzen müssten. Staaten wie die USA und Deutschland könnten ihre Unterstützung anbieten, aber die Menschen in den Kriegsländern müssten erkennen, dass das Töten nur zu mehr Leid führe.
Auch die Flüchtlingspolitik war Thema bei der Diskussion. Merkel sprach sich für schnellere Asylverfahren aus. Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis müssten schneller in ihre Heimatländer zurückkehren, sagte die Kanzlerin. "Es gibt eine sehr große Sorge, dass sich diejenigen, die sich jetzt integriert haben, das Land jetzt wieder verlassen müssen", sagte sie. Die Kanzlerin warnte davor, bei abgelehnten Asylbewerbern falsche Hoffnungen auf Integration zu wecken. Für ihre Forderung nach schnelleren Abschiebungen erntete die Kanzlerin Buhrufe aus dem Publikum. Sie reagierte: "Das gehört zu den Themen, die am schwierigsten sind, wenn sie Bundeskanzlerin oder Innenminister sind."
Obama pflichtete Merkel bei, was die Schwierigkeiten im Umgang mit Geflüchteten angeht. "Natürlich haben Flüchtlinge allen Anspruch auf Schutz, aber wir haben auch begrenzte Ressourcen", sagte der Ex-Präsident. "Was wir aber tun können, ist mehr Chancen zu schaffen für Menschen in ihren eigenen Ländern", fügte er hinzu. "Wir tun das aus Nächstenliebe, aber nicht nur. Es ist auch unser eigenes Interesse, weil wir uns nicht hinter unseren Grenzen verschanzen können."
Obama sagte weiter: "Den Kampf, den ich geführt habe, den Frau Merkel geführt hat, ist, dass in den Augen Gottes ein Kind auf der anderen Seite der Grenze genauso viel Barmherzigkeit verdient wie ein Kind auf unserer Seite der Grenze. Aber wir sind eben auch die Staatschefs von Ländern, und wir haben eine Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern innerhalb unserer Grenzen."
Das Gespräch wurde von dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au, moderiert. Auch junge Erwachsene aus den USA und aus Deutschland nahmen an der Diskussionsrunde teil. Die Veranstaltung fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt - auch unter dem Eindruck des Terroranschlags im britischen Manchester am Montagabend. Obamas Auftritt hatte im Vorfeld auch vereinzelt Kritik hervorgerufen: Aus der politischen Opposition hieß es, der charismatische Ex-Präsident leiste rund vier Monate vor der Bundestagswahl Wahlkampfhilfe für Merkel. In Kirchenkreisen gab es Bedenken, dass sein Auftritt das vielfältige Angebot des Kirchentages mit fast 2.500 Veranstaltungen überstrahlen könnte.
Der am Mittwoch eröffnete 36. Deutschen Evangelische Kirchentag wird noch bis Sonntag in Berlin und Wittenberg gefeiert. Das alle zwei Jahre veranstaltete Protestantentreffen steht im Zeichen des 500. Reformationsjubiläums.