Eröffnungsgottesdienst
Foto: epd/Friedrich Stark
Mit drei Open-Air-Gottesdiensten, wie hier vor dem Brandenburger Tor, ist in Berlin der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag eröffnet worden.
Evangelischer Kirchentag in Berlin startet mit Gottesdiensten
Mit drei großen Gottesdiensten unter freiem Himmel hat am Mittwochabend der evangelische Kirchentag in Berlin begonnen. Bei den Open-Air-Veranstaltungen vor dem Reichstagsgebäude, am Brandenburger Tor und auf dem Gendarmenmarkt versammelten sich Tausende Protestanten.

An den Einlassstellen im Zentrum der Bundeshauptstadt hatten sich zuvor lange Schlangen gebildet. Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag im Jahr des 500. Reformationsjubiläums steht auch unter dem Eindruck des jüngsten Terroranschlags im englischen Manchester und findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Zur Eröffnung des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2017 gab es drei Gottesdienste:

Vor dem Reichstag

Berlins Bischof Markus Dröge hat zum Auftakt des evangelischen Kirchentages dazu ermuntert, in den kommenden Tagen anderen Menschen vorurteilsfrei und mit unverstelltem Blick zu begegnen. Dieser Kirchentag öffne und weite den Blick - "für die Zeit, in der wir leben und die Menschen, mit denen wir leben", sagte der evangelische Theologe am Mittwoch vor mehreren Tausend Menschen beim Eröffnungsgottesdienst auf dem Berliner Platz der Republik.

Der Bischof der gastgebenden Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der auch Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) rief dazu auf, "mutig und vertrauensvoll, mit weitem Blick und offenem Herzen" den Kirchentag anzugehen. Dröge lobte zugleich die Gastgeberstadt als Symbol der Freiheit. Berlin sei "ein Auftrag an uns alle, einander anzusehen, so wie Gott uns ansieht". Gott schaue nicht nach Nationalität, Religion oder Kulturzugehörigkeit, sondern sehe den Menschen. "Er hat jedem Menschen ohne Ansehen der Person Würde verliehen. Es ist dieser besondere Blick Gottes, der uns ermutigt, eingefahrene Sichtweisen zu überdenken", sagte der Berliner Bischof.

Unter den Eröffnungsgästen waren zahlreiche Politiker und Kirchenvertreter wie etwa Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU), Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), Altbundespräsident Christian Wulff, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx.

Am Brandenburger Tor

Scharfe Kritik auf dem Kirchentag an den Industriestaaten: "Teilt euren Reichtum!", sagte Bischof Fredrick Onael Shoo aus Tansania am Mittwochabend am Brandenburger Tor auf einem der Eröffnungsgottesdienste des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages. Vor rund 20.000 Gläubigen rief der Bischof den Westen dazu auf, Afrika faire Wirtschaftsbeziehungen anzubieten und sich mehr um die Flüchtlinge zu kümmern.

Der Bischof forderte zudem mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel. "Reduziert den Ausstoß von CO2! Verringert die Luftverschmutzung! Wirtschaftet nachhaltig!", mahnte Shoo in seiner Predigt auf Deutsch. Der Lutheraner warf Europa und den USA vor, die Augen vor dem Leid in Afrika zu verschließen. In vielen Ländern auf seinem Kontinent bleibe der Regen aus, das Getreide vertrockne auf den Feldern und Millionen Kinder und Erwachsene litten Hunger, "sind von Hungertod bedroht", sagte Shoo.

US-Präsident Donald Trump ignoriere den Klimawandel und auch Deutschland habe bereits im April schon so viel CO2 ausgestoßen, wie für das ganze Jahr geplant, beklagte Shoo. Zudem verdienten Firmen aus Europa und den USA mit ihren Waffen viel Geld  an den Kriegen in Afrika, kritisierte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania: "Liefert keine Waffen nach Afrika!"

Bei den Flüchtlingen auf ihren Schlauchbooten auf dem Mittelmeer schaue Europa zu und "macht seine Grenzen dicht", fügte der Lutheraner hinzu. Unterdessen flüchteten die Menschen aus Afrika, weil sie hungerten und dort keine Zukunft sähen für sich und ihre Kinder. Mit Blick auf den Terrorismus rief der Bischof zum Dialog der Religionen auf: Christen und Muslime müssten sich begegnen und kennenlernen. "Denn wer sich kennt, kämpft nicht gegeneinander!" Gott wolle, "dass wir Menschen dabei mitarbeiten, dass alles gut ist."

Auf dem Gendarmenmarkt

Gläubige haben zum Auftakt des Kirchentags in Berlin auf dem Gendarmenmarkt einen besonderen Gottesdienst zum Miteinander der Generationen gefeiert. "Sich ansehen kann so schön sein", sagte die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr am Mittwochabend auf dem Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte. "Unsere Augen verraten, wer wir sind und wie es uns geht. Augen können nicht lügen." Der evangelische Kirchentag steht unter dem Bibelwort "Du siehst mich", das Logo zum Christentreffen wird von einem Augenpaar bestimmt.

Bahr warb um Respekt vor dem Gegenüber. Nicht jeder müsse alles wissen, es dürfe Geheimnisse geben. "Wir dürfen einander fremd bleiben", betonte Bahr in einer szenischen Predigt, die sich auch um die Themen Vielfalt, Freundschaft, Liebe, Schönheit und Fehler drehte. "Jede ist anders. Jeder ist wunderbar", betonte Bahr, die von 2006 bis 2014 Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war. "Augen sind wie eine Tür zu einem großen Abenteuer." Auch wer sich 50 Jahre anschaue, könne immer wieder etwas Neues entdecken.

Was Augen indes anrichten können, beschrieb die Berliner Schülerbischöfin Anaïs Scharf: "Blicke können wie eine Waffe sein. Sie stehen und verletzen und können sogar töten." Dagegen setzte Schülerbischöfin Leona Schimmelpfennig das Wohlgefühl durch liebevolle Blicke. "Wir können doch gar nicht leben, ohne angesehen zu werden", sagte die Berlinerin. "Mit den Augen knüpfen wir das Band zwischen uns." Und sie fragte: "Was wäre, wenn wir einander so ansehen wie Gott uns ansieht?" Evangelische Schulen in Berlin ernennen seit 2010 Jugendliche im Ehrenamt zu Schülerbischöfen, die sich in Projekten für Jung und Alt engagieren.

Zu dem fünftägigen Christentreffen und dem Abschlussgottesdienst am Sonntag auf den Elbwiesen in Wittenberg haben sich mehr als 106.000 Dauerteilnehmer angemeldet. Das Protestantentreffen ist zugleich Höhepunkt im Festjahr zu 500 Jahren Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) in Wittenberg seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, was als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation gilt.