Dass dies ein Wagnis ist, liegt nicht allein daran, dass aus Anlass des 500. Reformationsjubiläums diesmal quasi gleich sieben Kirchentage parallel stattfinden. Hinzu kommt, dass Mitteldeutschland zwar "Ursprungsland", "Mutterland" und "Kernland" der Reformation ist, wie die Tourismusverantwortlichen der drei Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gern betonen. Hier wirkte der Reformator Martin Luther (1483-1546), hier finden sich sein Geburts- und Taufort, die weltberühmte Wittenberger Schlosskirche mit dem vermuteten Thesenanschlag und schließlich sein Sterbeort.
Gleichzeitig ist das Gebiet an Elbe und Saale aber eine der weltweit am stärksten entkirchlichten Regionen überhaupt. Nur ein Fünftel der Einwohner gehört mancherorts noch der Kirche an, mehr als die Hälfte sind bekennende Atheisten. Ostdeutschland sei "die gottloseste Region der Welt", hat ein großes Nachrichtenmagazin vor Jahren dazu getitelt.
In manchen Ländern gab es daher durchaus auch Diskussionen, ob kirchliche Großveranstaltungen mit öffentlichem Geld unterstützt werden sollen, wie etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zwischenzeitlich berichtete. Andererseits hat sich das 500. Reformationsjubiläum mit allem, was an Veranstaltungen dazugehört, mancherorts schon jetzt als "größtes Konjunkturprogramm" der Geschichte erwiesen - etwa in Wittenberg selbst.
Und dass kirchliche Großveranstaltungen auch in Ostdeutschland funktionieren können, haben zuletzt der evangelische Kirchentag 2011 in Dresden und der 100. Deutsche Katholikentag im vergangenen Jahr in Leipzig bewiesen. Hartwig Bodmann, Geschäftsführer des verantwortlichen Vereins Reformationsjubiläum 2017, ist sich denn auch sicher, dass das Konzept aufgehen wird. An den authentischen Orten lohne es sich, "auch 500 Jahre später über reformatorische Ideen und Gedanken nachzudenken und sich dabei auch von dem historischen Flair dieser Orte inspirieren zu lassen". Und: "Mit diesem einzigartigen Angebot im Reformationssommer wollen wir Zielgruppen erreichen, die gerade nicht alle zwei Jahre am Kirchentag teilnehmen."
Wieviele Teilnehmer es in den einzelnen Städten letztlich sein werden, ist offen. Zwar gibt es Schätzungen. Demnach soll der Leipziger "Kirchentag auf dem Weg" der größte mit bis zu 20.000 Teilnehmern werden. Weitere 50.000 Leute könnten sich auf die anderen fünf regionalen Veranstaltungen verteilen, hofft man. Doch mit der Veröffentlichung aktueller Anmeldezahlen halten sich die Veranstalter zurück. Schließlich wird auch damit gerechnet, dass sich vor Ort viele Leute spontan zu einem Besuch entschließen, sagte Johanna Matuzak von der Marketing-Abteilung des veranstaltenden Vereins.
Die sechs "Kirchentage auf dem Weg" haben dabei ausgehend von der jeweiligen Historie ihrer Veranstaltungsorte verschiedene thematische Ausrichtungen. "Leipziger Stadtklang: Musik. Disput. Leben." lautet etwa die Überschrift in der sächsischen Messestadt. An der Wirkungsstätte des Barockkomponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750) und des weltberühmten Thomanerchores wird die Kirchenmusik einen besonderen Stellenwert haben. "Licht auf Luther" heißt es in den thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Im Zentrum steht ein "Blitz, der Geschichte schrieb": Ein Gewitter-Erlebnis bei Stotternheim veranlasste Luther der Überlieferung nach zum Eintritt in das Erfurter Augustinerkloster.
"Sie haben 1 gute Nachricht", verspricht der Kirchentag in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg. "Zwei Städte für ein Halleluja" - so präsentieren sich Halle und Eisleben den Besuchern. "Nun sag, wie hast Du's mit der Religion?", lautet das Motto in Jena und Weimar. Damit wird Bezug auf die vielzitierte "Gretchenfrage" in Goethes "Faust" genommen. "Forschen. Lieben. Wollen. Tun." heißt es schließlich beim kleinsten der regionalen Kirchentage in Dessau-Roßlau.
Geschäftsführer Hartwig Bodmann setzt jedenfalls fest darauf, dass das Konzept am Ende aufgegangen sein wird: "Es ist nicht das gleiche, wenn man Reformationsjubiläum irgendwo feiert oder an einem Ort, wo alles vor 500 Jahren seinen Anfang nahm, der heute noch authentisch und damit real ist."
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