Moderatorin Nena Baumüller mit den beiden Pfarrern Rasmus Bertram und Mickey Wiese
Foto: evangelisch.de/Anne Kampf
Moderatorin Nena Baumüller mit den beiden Pfarrern Rasmus Bertram und Mickey Wiese (v.l.) im Online-Gottesdienst "Sublan" am 10. April
"So interaktiv hatten wir's noch nie"
Es sollte ein Pilotprojekt sein – und im Großen und Ganzen hat es funktioniert: Der Online-Gottesdienst "Sublan" ist am Sonntag mit einer neuen Software auf Sendung gegangen. Trotz kleiner Probleme mit der Technik fällt die erste Einschätzung der Macher positiv aus.

"Wir sind total happy!", sagt Pfarrer Rasmus Bertram in einer ersten Reaktion: "So interaktiv haben wir es noch nie gehabt." 180 Teilnehmende haben sich über die neue Benutzeroberfläche von sublan.tv mit Gebeten, Fragen oder Meinungsäußerungen in den Gottesdienst am Sonntagnachmittag eingebracht. Laut Projektleiter Bertram ist von einer wesentlich höheren Zuschauerzahl auszugehen, denn es beteilige sich immer nur ein kleiner Teil davon aktiv. In den bisherigen "Sublan"-Gottesdiensten habe die Gesamtzahl derer, die sich online zugeschaltet hatten, zwischen 100 und 250 gelegen.

Der "Sublan"-Gottesdienst ist 2009/2010 in der Jugendkulturkirche sankt peter in Frankfurt am Main entstanden, der Name setzt sich zusammen aus "Subkultur" und "LAN" (lokales Netzwerk). Die Idee dahinter ist, dass Menschen miteinander Gottesdienst feiern können, auch wenn nicht alle physisch in der Kirche sind: Sie beteiligen sich über ihre Laptop-Tastatur oder ihr Smartphone. Seit 2015 wird der "Sublan" nicht mehr von sankt peter, sondern als eigenständiges Projekt umgesetzt - mit finanzieller Unterstützung des Vereins Andere Zeiten sowie in enger Kooperation mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP). Erstmals wurde er an diesem Sonntag aus einem professionellen Fernsehstudio des Evangeliumsrundfunks in Wetzlar ausgestrahlt. Rund 30 Ehrenamtliche tragen den Gottesdienst, darunter Teams für Gebete, Chat-Seelsorge und Technik.

"Hey, ich bin jetzt dabei", schreibt direkt zu Beginn ein Teilnehmer voller Vorfreude, und dann geht auch schon zur Sache: "Hart am Limit – Lass meine Mudda aus dem Spiel" lautet das Motto für den Gottesdienst. Dahinter verbirgt sich das Thema "Werte": Die Teilnehmenden diskutieren mit den beiden Pfarrern Rasmus Bertram und Mickey Wiese darüber, was Vergebung – aber auch Rache – bedeuten kann und was ihnen "heilig" ist und.

Wie immer bei "Sublan" haben die beiden Prediger keine ausgefeilten Vortragstexte mitgebracht, sondern "nur" Thesen vorbereitet. Auf die Fragen und Kommentare der Teilnehmenden reagieren sie spontan. "Ist heilig nicht eigentlich ein total verstaubter Begriff?", fragt Moderatorin Nena Baumüller, und Prediger Mickey Wiese antwortet so: "Heilig heißt ganz einfach: besonders, zur Seite gesetzt. Heilig heißt eigentlich supergeil. Wenn alles gleich ist, ist alles gleich gültig, also gleichgültig."

"Wir müssen ein bisschen nachbessern"

An passender Stelle werden Bibeltexte als Vorlese-Video eingespielt, und zwischendurch spielt die Aschaffenburger Band "mal angenommen" Songs mit Titeln wie "Das Wesentliche". Als Fernsehproduktion wirkt das Ganze professionell und ansprechend. Doch wichtiger als die gute Performance ist in einem Online-Gottesdienst die Beteiligung der Menschen, die nicht im Studio sind.

Zuschriften von Teilnehmenden während des Gottesdienstes.
Deren Kommentare und Fragen werden bei diesem "Sublan" halbautomatisch sortiert – das ist das Neue. Langfristig soll dadurch eine größere Anzahl von Zuschriften bewältigt werden. Mitarbeitende geben den einlaufenden Texten zunächst Schlagworte, anhand derer die neue Software thematische Gruppen bildet. Die stärksten Gruppen erscheinen automatisch auf den Tablets der Prediger, so dass die erkennen, welche Themen besonders viele Teilnehmende interessieren, in welche Richtung sie sie also das Predigtgespräch führen sollten.

 

Im Großen und Ganzen hat dieses neue System funktioniert, doch für Prediger Rasmus Bertram gab es ein Problem: "Ich konnte die Gruppen nicht wegdrücken." Natürlich dürfe er sich vor einem Thema nicht drücken, sagt der Pfarrer, aber: "Ich hätte doch gern mehr Gruppen gesehen und selber nochmal eine Auswahl getroffen. Da müssen wir nochmal ein bisschen nachbessern." Auf den technischen Projektleiter Christopher Diekkamp kommt ohnehin weitere Programmierarbeit zu. "In der Darstellung und bei der Benutzeroberfläche für die Leute hat es gehakt", sagt Diekkamp, "Eigentlich sollten die Leute automatisch alles, was behandelt wird, sehen. Das hat nicht bei allen funktioniert." Doch er merkt auch an, dass der "Sublan"-Gottesdienst am 10. April eben ein Pilotprojekt war, "um das Konzept zu testen und ein Gefühl dafür zu bekommen".

Mitfeiern - auch in Göttingen

Wie es nun mit dem Online-Gottesdienst weitergeht, ist noch unklar. Neben zahlreichen Journalisten haben gestern auch Vertreter von mehreren evangelischen Landeskirchen den Gottesdienst verfolgt. Rasmus Bertram wünscht sich, dass in Zukunft "zum Beispiel die südlichen Landeskirchen Baden, Württemberg, Bayern und Hessen-Nassau zusammen" den Gottesdienst finanzieren - als ein "Zukunftsprojekt", das signalisieren könnte: Kirche nimmt die nicht mehr ganz so neuen Medien für ihren Verkündigungsauftrag wahr.

"Wir beten für wert-volles Deutschland." Ira Möller und Anja Lindner (v.l.) bringen die Gebete der Teilnehmenden vor Gott.

Immerhin hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2014 bekundet: "Die Digitalisierung der Gesellschaft führt dazu, dass durch digitale Räume neue Formen von Gemeinde entstehen. Nicht physische Nähe, sondern Kommunikation ist für sie wesentlich. Die evangelische Kirche respektiert und fördert diese neuen Gestalten von Gemeinde."

Eine entscheidende Frage bleibt auch nach diesem Pilot-"Sublan": Bilden die Mitarbeitenden im Studio und die Menschen an den Laptops wirklich eine Gemeinde? Eine funktionierende Technik kann ihren Teil dazu beitragen, Formulierungen wie "ihr da draußen" (Moderatorin Nena Baumüller) wohl eher nicht. Dass Jugendliche den "Sublan" prinzipiell annehmen und wertschätzen, hat der Gottesdienst am 10. April trotzdem gezeigt. So lautete eine Rückmeldung: "Toll, dass wir hier im Freundeskreis zusammen Gottesdienst feiern können, auch wenn wir in Göttingen sind."