Claudia Brinkmann-Weiss
Foto: epd-bild/Norbert-Neetz
Synodale Claudia Brinkmann-Weiss
"Es gibt zu wenig Vernetzung in unserer Kirche"
Claudia Brinkmann-Weiss, Dekanin aus Hanau, war im November in Bremen auf ihrer zweiten Synode Kandidatin für den Rat. Sie wünscht sich ein starkes evangelisches Profil und eine Stimme für ihre Kirche. evangelisch.de-Redakteurin Lilith Becker hat sie in Bremen getroffen und ihre Gedanken zur Synode protokolliert.

"Es ist eine große Ehre für mich und eine schöne Anerkennung meiner Arbeit, dass ich gefragt worden bin, für den Rat zu kandidieren.

Die diakonischen Themen finde ich ganz wichtig - nicht nur aufgrund der Flüchtlingsfrage, sondern weil ich glaube, dass uns als Kirche die Themen Armut, Reichtum und Gerechtigkeit einfach ein Grundanliegen sein müssen. Dann finde ich die ökumenische Kirche wichtig, dass wir uns auch immer als weltweite Kirche verstehen und die Partnerschaften pflegen. Wir hatten auf der Synode ökumenische Gäste, aus England und Italien, das könnten wir noch mehr nutzen.

Dann interessiert mich die Frage der Kommunikation des Evangeliums, die Frage nach den Mitgliedern: Wie können wir Menschen dafür gewinnen Mitglieder unserer Kirche zu werden? Die Kirche macht tolle Sachen und unsere Themen sind interessant. Wir sind eine Gemeinschaft, die Partizipation braucht.

"Ich wünsche mir auch, dass wir eine evangelische Kirche in Deutschland sind. Und dass auch das einzelne Gemeindeglied vor Ort sich als Teil dieser evangelischen Kirche in Deutschland fühlt."

Quer durch alle Religionen und Konfessionen betätigen sich momentan Ehrenamtliche in der Arbeit mit Flüchtlingen. Das ist sehr erfreulich und das finde ich auch gut, dass Kirche diese Plattform bietet, dass sich viele auch beteiligen können. Ich glaube gleichwohl nicht, dass das bei vielen Menschen dazu führt, dass sie sagen: 'Da werde ich Mitglied.' Dieser Sprung wird für die Leute größer und schwerer, nach meiner Wahrnehmung. Ich denke viel darüber nach. Ich höre von vielen Leuten: 'Wir finden Kirche gut und glauben an Gott, aber die Kirchensteuer...' Ich habe einige Gemeindeglieder vor Augen, die sagen, ich würde mehr an Spenden geben, als ich an Kirchensteuern zahle, wenn ich wüsste, das kommt meiner Gemeinde zu Gute. Dieser Gedanke an Solidarität scheint schwer zu vermitteln zu sein. Aber eine reine Freiwilligkeitskirche bedingt ja ganz andere Abhängigkeiten. Ich habe keine Lösung, aber ich glaube, dass wir über diese Frage nachdenken müssten.

Die evangelische Kirche wird schon als eine Kirche der Freiheit wahrgenommen – diesen Eindruck habe ich. Leute sagen: 'Da kann ich sein, wie ich will und mein Glaube hat eine Freiheit und meine Vernunft ist gefragt.' Stichwort Verbindungsmodell – ich finde es wichtig, über die Strukturen nachzudenken. Dass wir uns die großen organisatorischen Apparate leisten, ist vielen Menschen auch schwer vermittelbar. Ich glaube, da müssen wir nochmal ran. Auch wenn es große Widerstände gibt. Vielen Menschen an der Basis leuchtet das überhaupt nicht mehr ein, dass wir uns die VELKD, die UEK und die EKD leisten, mit ihren jeweiligen riesigen organisatorischen Apparaten.

Ich wünsche mir auch, dass wir eine evangelische Kirche in Deutschland sind. Also nicht, dass wir unsere Unterschiede betonen, sondern das Gemeinsame und dass auch das einzelne Gemeindeglied vor Ort sich als Teil dieser evangelischen Kirche in Deutschland fühlt. Ich erlebe ganz viel Distanz zur EKD. Ich versuche dann zu erzählen, was die EKD-Synode macht. Das scheint von den Leuten meilenweit weg zu sein.

"Regionale Unterschiede kann man trotzdem pflegen"

Vieles ist abstrakt – auch die guten Denkschriften, die viele Themen sehr gut durchdenken und eigentlich eine gute Diskussionsgrundlage darstellen. Sie werden leider kaum rezipiert. Obwohl ich sie in den Pfarrkonferenzen erwähne, darauf hinweise und sage 'Leute, da könnt ihr mal mit euren Kirchenvorständen drüber reden'.

Und man kann natürlich fragen: Wen interessiert z. B. eine Kundgebung der EKD-Synode? Diese Haltung, die evangelische Kirche verlautbart etwas, und das ist an sich dann schon ein Wert – darüber müssen wir nachdenken.

Zum Thema Flüchtlinge war es aber gut, dass die evangelische Kirche schnell reagiert hat, dass sie gesagt hat, dass der Familiennachzug für Syrer aufrecht erhalten bleiben muss. Das ist ein konkreter Punkt, wo man als evangelische Kirche auch schnell reagieren kann. Das wird dann auch gehört. Aber bei vielen Themen denke ich: Wen interessiert das?

Wer redet für wen? Auf allen Ebenen sieht man, dass es wenig Vernetzung gibt – was schade ist. Das wird mit dem Verbindungsmodell versucht, zu verbessern. Welche Gemeinde macht noch den rein lutherischen oder reformierten Gottesdienst? Sofern es noch regionale Unterschiede gibt, kann man diese doch trotzdem pflegen, aber sich verbunden fühlen mit der evangelischen Christenheit in Deutschland und wissen, wir sind in vieler Hinsicht gemeinsam unterwegs. Also: Warum ist das so schwierig?

Manche Pfarrer, die Religionsunterricht geben, erzählen mir sogar, dass die Kinder selbst nicht wissen, ob sie evangelisch oder katholisch sind. Dann noch lutherisch oder reformiert? Da würde ich gerne ein Stück weit dran arbeiten: einfach zu sein und trotzdem nicht banal.

Wir exkludieren, obwohl wir viel über Inklusion reden. Wie kann ein Bildungsprozess in Gang gesetzte werden, der Menschen in die Lage versetzt, zu argumentieren, der Vernunft Raum zu geben und eben nicht den einfachen Antworten hinterherzulaufen. Das finde ich eine große Aufgabe.

Wir sitzen teilweise auch im Elfenbein-Turm und bekommen von der Basis gesagt: 'Ihr vertretet uns nicht, denn wir sind autonom.' Da ist viel zu tun. Angesichts der Situation der christlichen Kirchen in unserer Gesellschaft, glaube ich, dass wir ein Wir-Gefühl entwickeln müssen, um nicht exklusiv zu sein, sondern einfach und verständlich, um Profil zu gewinnen und in unserer Gesellschaft auch wahrnehmbar zu sein. Eben nicht als ein Verein, der für gar nichts sprechen kann, weil er sich in alle Richtungen absichern muss. Wir brauchen ein starkes Profil, um ein Gegenüber in gesellschaftlichen Prozessen zu sein.

Die Tagesordnung der Synode ist gigantisch und die Themen, wie man das an der Kundgebung sieht, sind sehr komplex, haben schon einen Prozess hinter sich. Die Gruppe der Synodalen ist sehr heterogen. Was die Ratswahl angeht, ist ein Ringen wahrzunehmen. Macht man Vorabsprachen oder betont man die evangelische Freiheit jedes Einzelnen? Ist wirklich jeder in seinem Gewissen vor Gott frei? Oder wird versucht, in Gruppen gewisse Vorentscheidungen zu fällen? Was ich verständlich finde, aber auch dem Geist des Evangeliums nicht so ganz entsprechend.

Ich erlebe hier eine relativ große Spannweite, was die Frömmigkeiten angeht, wie auch was die politischen Ansichten anbelangt, das ist ja auch ganz klar. Von daher ist der Verständigungsprozess eine echte Aufgabe. Ein echter Brocken. Die Diskussionen sind anspruchsvoll bis mühsam und bleiben manchmal in gewisser Weise an der Oberfläche. Doch es herrscht eine sehr freundliche, offene Stimmung. Man kommt gut ins Gespräch und die Leute sind interessiert und enorm kommunikativ, man redet pausenlos. Das ist auch toll. Es sind interessante Menschen hier, die viele Kompetenzen, Interessen und Engagements vertreten. Das ist beeindruckend und bereichernd."