Eine Bekannte erzählte mir heute morgen, dass sie ein seltsames Erlebnis mit einem langjährigen Freund hatte. Der Mann, Pilot, war zum Abendessen da und schnell ging es um das Thema Flüchtlinge. "Wie der gewettert hat, mein Mann und ich sind immer stiller geworden, so schockiert waren wir", sagte sie. Und: "Ich war froh, als er gegangen ist."
Eine Freundin sammelte vergangenes Wochenende auf dem Weihnachtsmarkt Spenden für den Lions Club, der dieses Jahr Deutschkurse für Flüchtlinge unterstützen möchte. Sie hatte sich das leicht vorgestellt. Doch viele hätten nichts geben wollen, als sie hörten, wofür das Geld sei. "Wir sollten unsere eigenen Armen unterstützen", bekam sie mehrfach zu hören oder gleich ganz offen: "Für die geben wir nichts."
Flüchtlinge in der Nachbarschaft? Ganz heikles Thema: die werten unsere Immobilien ab. In Frankfurt stehen 12,3 Millionen Quadratmeter Gewerbefläche leer. Könnte man doch, wenn man wollte, nutzen. Will man aber nicht, wie mir bei Recherchen gesagt wurde - sagt aber keiner laut - nur unter der Hand: "Tuschel, tuschel: Das wertet unsere Immobilie ab."
Es ekelt mich, wenn ich das höre. Das ist ein barbarisches Argument. Mein Mann sagt: "Aber so funktioniert der Markt." Ich will das gar nicht hören. Nein, ich will es nicht glauben. Der Reflex einfach nur wütend zu sein, regt sich: auf Bekannte, meinen Mann, auf Fremde, die bewusst nicht spenden wollen, auf Immobilienbesitzer. Auf Pegida, AfD: die sind eh verrückt.
Aber ich kann dabei ja nicht stehen bleiben: Am liebsten würde ich sie alle missionieren in ihrer, meiner Ansicht nach, kleingeistigen, von Angst und Egoismus geprägten Einstellung. Nur wie trete ich ihnen entgegen? Was sage ich, wenn sich jemand so äußert? "Ich weiß es aber besser, kenne so viele gute Beispiele und die Fakten sagen aber..."? Habe ich alles schon probiert. Andere auch. Nutzt in der Regel nichts.
Weil es um Gefühle geht, vermutlich. Um Gefühle wie Angst und Neid. Jesus kannte die Angst ja auch: In der Geschichte (Mk4, 37-40), in der er gemeinsam mit einigen Jüngern über den See Genezareth schippert und ein Sturm aufkommt, haben die Jünger Angst und Jesus schläft einfach, weil er sagt, dass er den Glauben habe. Er fragt sie, nachdem er den Sturm besänftigt hat: "Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?" Okay, Jesus hält diese Coolness nicht durch: in der Nacht vor seiner Kreuzigung hat er selbst Angst und die Jünger schlafen fest (Mk14, 37). "Simon, schläfst du? Vermochtest du nicht, eine Stunde zu wachen?"
Wir alle haben einmal Angst. Das ist zutiefst menschlich. Aber wir sollten weitergehen. So wie Jesus auch weitergeht. Und letztlich wieder seine Jünger tröstet (Joh16, 33): "In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Das ist es vermutlich auch, was wir denjenigen sagen können, die aus Angst zweifeln: Jesus stirbt am Kreuz - und wir müssen das, wörtlich gesehen, nicht tun. Aber wir sollten uns unserer Angst stellen, sodass daraus Hoffnung auf das Gute wird - und Vertrauen in die Menschen.